Guido Reil
Guido Thorsten Reil (geboren am 28. Januar[1] 1970[2] in Gelsenkirchen[3]) ist ein deutscher Bergmann und Politiker (AfD). Für seinen Übertritt von der SPD zur AfD nach 26 Jahren Mitgliedschaft wegen seiner Kritik an der SPD-Politik während der Flüchtlingskrise erhielt er bundesweite Medienaufmerksamkeit.
Leben
Guido Reil ist seit seinem Hauptschulabschluss mit 16 Jahren im Bergbau tätig, wo er zunächst eine Ausbildung zum Schlosser absolvierte.[4][5] Er arbeitet als Steiger im Bergwerk Prosper-Haniel und ist Gewerkschafts- und Betriebsratsmitglied.[2][5][6] Reil ist mit einer Russin verheiratet.[7]
SPD-Mitglied
Reils Vater und sein Großvater waren in der SPD, er selbst trat mit 20 Jahren in die Partei ein. Dort war er zehn Jahre Vorstandsmitglied des Essener Ortsvereins und acht Jahre Ratsherr im Essener Stadtrat.
Als in Reils Stadtteil Essen-Karnap, der damals bereits einen hohen Migrantenanteil aufwies, Flüchtlinge untergebracht werden sollten, organisierte er als SPD-Mitglied Anfang 2016 eine Demonstration dagegen. Die damalige nordrhein-westfälische Ministerpräsidentin Hannelore Kraft (SPD) intervenierte jedoch und erreichte die Absage der Veranstaltung.[6] Anfang Mai 2016 kandidierte Reil als stellvertretender SPD-Vorsitzender in Essen und verband seine Bewerbung mit der Forderung nach einer Kurswende in der Flüchtlingspolitik, womit er nach eigenen Angaben auch die SPD retten wollte. Kurz zuvor hatte er sich bereits in einem Interview kritisch geäußert und war als SPD-Parteirebell bundesweit in den Medien zitiert worden.[8] Nach einer heftigen Kontroverse mit dem Essener SPD-Vorsitzenden Thomas Kutschaty erhielt er jedoch nur 21,5 Prozent der Stimmen. Am 11. Mai 2016 trat Reil nach 26 Jahren Mitgliedschaft aus der SPD aus[8] und im Juli 2016 in die AfD ein. Er begründete den Schritt damit, nicht mehr zu ertragen, wie sich seine Partei der Realität verweigere.
AfD-Mitglied
Reil wurde für die anstehende Landtagswahl in Nordrhein-Westfalen im Mai 2017 auf Platz 26 der AfD-Landesliste gesetzt und absolvierte eine Reihe von Wahlkampfauftritten im Ruhrgebiet.[9][10] Während des Wahlkampfs verübten Unbekannte Anschläge auf Reils Haus und das Auto seiner Ehefrau.[11][12][13] Reil trat in den Talkshows Hart aber fair und Markus Lanz auf.[14][15][16] Als Direktkandidat des Wahlkreises 65 Essen I-Mülheim II erhielt er 13,35 Prozent der Stimmen. Die AfD erhielt 13,11 Prozent der Zweitstimmen.[17] In seinem Wohnort Essen-Karnap entfielen 20,3 Prozent und im Stadtteil Vogelheim 22,1 Prozent der Zweitstimmen auf die AfD, die dort vor der CDU zweitstärkste Partei wurde, in Essen-Altenessen und Bergeborbeck jeweils mehr als 15 Prozent.[18][19][20]
Bei der Bundestagswahl im September 2017 trat Reil im Bundestagswahlkreis Essen II an. Auf ihn entfielen 15,8 Prozent der Erst- und auf seine Partei 15 Prozent der Zweitstimmen im Wahlkreis. Ein Bundestagsmandat erhielt er erwartungsgemäß nicht.[21][22]
Auf dem 7. Bundesparteitag der AfD in Hannover vom 2. bis 3. Dezember 2017 wurde Reil als dritter Beisitzer mit 55,53 % der Delegiertenstimmen in den Bundesvorstand der Partei gewählt.[23][24] In seiner Bewerbungsrede beschrieb er die „Entdämonisierung“ der AfD als seine Aufgabe. Der Partei würden zu Unrecht antidemokratische Umtriebe vorgeworfen, sie stehe jedoch auf dem Boden der freiheitlichen Grundordnung. Seine Themen im Bundesvorstand seien Arbeit und Soziales, das Ruhrgebiet solle „zur Herzkammer der AfD“ werden.[25]
Der New York Times gegenüber erklärte Reil später, es gebe Pläne für den Aufbau einer bundesweiten AfD-nahen Gewerkschaft, und kündigte eine Revolution insbesondere in der Automobilindustrie an.[26]
Konflikt mit der Arbeiterwohlfahrt
Nach Reils Übertritt zur AfD betrieb der Essener Kreisverband der SPD-nahen Arbeiterwohlfahrt (AWO) seinen Ausschluss. Reil war dort seit 25 Jahren Mitglied und einer der Initiatoren eines Seniorenbus-Fahrdienstes gewesen. Im Februar 2017 bestätigte das Schiedsgericht des AWO-Bezirks Niederrhein, im Oktober 2017 das Bundesschiedsgericht die zunächst befristete Aussetzung seiner Mitgliedschaft für ein Jahr. Reil habe sich unter anderem grundlegend kritisch über die Integrationsfähigkeit von Menschen aus arabischen Kulturen und den Zuzug von Zigeunern in Gelsenkirchen geäußert, das sei „rassistisch“. Mit derartigen Aussagen habe er sich „bewusst in einen unüberbrückbaren Widerspruch zu Grundwerten der AWO gesetzt“. Der endgültige Ausschluss sei noch abzuwenden, wenn er „binnen Jahresfrist selbstkritisch von seinen Ansichten abschwöre“.
Reil selbst sah in den ihm vorgeworfenen Aussagen lediglich eine Beschreibung der Realität. Er gab an, Mitglied der AWO bleiben und weiterhin persönlich das Seniorenbus-Projekt unterstützen zu wollen. Den Grundwerten des Verbands fühle er sich weiterhin verbunden, deshalb wolle er nun den zivilrechtlichen Weg beschreiten.[27][28][29][30]
Rechtsstreit mit seinem Arbeitgeber
Zeitlich zusammenfallend mit dem Beginn seines Engagements bei der AfD[21] begann ein Konflikt zwischen Reil und seinem Arbeitgeber RAG (ehemals Ruhrkohle AG), der ihn zwar weiterhin als Steiger beschäftigte, ihn aber seine alte Abteilung nicht mehr führen ließ. Stattdessen wurde er als Seilfahrtaufseher eingesetzt, wobei er nach eigenen Angaben wenig zu tun hatte und wegen wegfallender Schichtdienste monatlich rund 2000 Euro weniger verdiente. Reil sah darin eine Degradierung wegen seines Parteiübertrittes und erhob Klage vor dem Arbeitsgericht Herne. Die Anwältin der RAG erklärte, „gesundheitliche Einschränkungen“ und die Fürsorgepflicht des Arbeitgebers seien Grund für die Versetzung gewesen.
Bei einem Verhandlungstermin im Januar 2018 erklärte Reil, neben finanziellen Einbußen in fünfstelliger Höhe und Frustration, weil er eine verpönte Handlangertätigkeit erledigen müsse, die stundenlangen Leerlauf bedeute, führe seiner neuer Einsatzort zu mehr gesundheitlichen Beschwerden als sein alter. Die Richterin zeigte deutliche Zweifel an, ob der neue Einsatz auch „vertragsgerecht“ sei, und riet zu einer gütlichen Einigung, da sonst ein aufwändiges Verfahren drohe. Die Vertreterin der RAG sagte eine Prüfung zu.[31]
Ingewahrsamnahme vor Mai-Demonstration
Als Reil an einer Demonstration zum 1. Mai 2018 in Essen teilnehmen wollte, wurden er und Personenschützer, die ihn begleiteten, von der Polizei angehalten und durchsucht. Bei einem der Sicherheitsleute wurde Pfefferspray gefunden, dessen Mitführung bei Demonstrationen verboten ist. Die Polizei erteilte deshalb der gesamten Gruppe einen Platzverweis. Reil widersetzte sich mit Worten und wurde daraufhin in Polizeigewahrsam genommen. Eine Anwaltskanzlei erhob später in Reils Auftrag schwere Vorwürfe und kündigte eine Klage vor dem Verwaltungsgericht auf Feststellung der Rechtswidrigkeit der Maßnahmen an. Der Ausschluss des Sicherheitsmitarbeiters sei gerechtfertigt gewesen, nicht jedoch der der ganzen Gruppe. Durch Reil habe keinerlei Gefahr für die Versammlung bestanden, die Polizeiaktion sei daher unverhältnismäßig. Über die Fortsetzung der Ingewahrsamnahme hätte richterlich entschieden werden müssen, Reil sei jedoch bis zu drei Stunden ohne eine solche Entscheidung festgehalten worden. Die Polizei widersprach, der Eingriff sei berechtigt gewesen.[32][33]
Bücher
- Wahrheit statt Ideologie: Was mir auf der Seele brennt, Berns photographie Verlag, 2017, ISBN 978-3-932177-22-4.
Weblinks
- Offizieller Internetauftritt von Guido Reil
- Guido Reil auf afd.nrw
- Guido Reil auf Facebook
- Guido Reil auf Twitter
Einzelnachweise
- ↑ Facebookseite
- ↑ 2,0 2,1 Robert Pausch: Erst Genossen, dann Rivalen, Zeit online, 9. Mai 2017.
- ↑ AFD TV ESSEN: Wahlkampf-Abschluss-Veranstaltung mit Guido Reil. 2017-05-14. Abgerufen am 2018-02-10.
- ↑ 102.2 Radio Essen: Radio Essen Bus-Wahl-Talk mit Guido Reil (AfD). 2017-09-20. Abgerufen am 2018-02-09.
- ↑ 5,0 5,1 Fabian Klask: Herr Reil schwenkt um, Die Zeit, 24. November 2016.
- ↑ 6,0 6,1 Florian Gathmann: SPD-Kommunalpolitiker "Meine Partei spielt der AfD in die Karten", Spiegel online, 27. Januar 2016.
- ↑ Reinhard Kowalewsky: Erst SPD, jetzt AfD: Der Seitenwechsler, rp-online.de, 9. September 2016.
- ↑ 8,0 8,1 Frank Stenglein: Essener Ratsherr Guido Reil tritt aus der SPD aus, waz.de, 11. Mai 2016
- ↑ Ehemaliges SPD-Mitglied macht Wahlkampf für die AfD, Video-Beitrag, Frankfurter Allgemeine Zeitung, 15. März 2017
- ↑ Timo Steppat: SPD vor Landtagswahl : Die Verteidigung der Herzkammer, Frankfurter Allgemeine Zeitung, 13. Mai 2017.
- ↑ Christina Hahn: Anschlag auf Haus und Auto von Essener AfD-Politiker, WeltN24, 21. April 2017.
- ↑ Haus von Essener AfD-Politiker Reil beschmiert, WDR, 21. April 2017.
- ↑ Jennifer Schumacher, Frank Stenglein, Jörg Maibaum: Haus von AfD-Politiker Guido Reil beschmiert, Auto demoliert, WAZ, 21. April 2017.
- ↑ Guido Reil bei Markus Lanz, 20. September 2016, Youtube-Mitschnitt
- ↑ Guido Reil bei Hart aber fair, 5. September 2016, Youtube-Mitschnitt
- ↑ Frank Lübberding: TV-Kritik: Hart aber fair : Sind die Bürger überfordert - oder die Kanzlerin?, Frankfurter Allgemeine Zeitung, 6. September 2016.
- ↑ Landtagswahl 2017: So hat der Wahlkreis 65 Essen I gewählt, WAZ, 14. Mai 2017.
- ↑ Christian Parth: Die rechte Hochburg Ruhr, Frankfurter Rundschau, 16. Mai 2017.
- ↑ AfD erreicht in zwei Essener Stadtteilen über 20 Prozent, General-Anzeiger, 16. Mai 2017.
- ↑ Besuch im Guido-Reil-Land: Warum die AfD im Essener Norden so erfolgreich war, DerWesten, 15. Mai 2017
- ↑ 21,0 21,1 Frank Stenglein: Kein Mandat – Guido Reil will nun in den AfD-Bundesvorstand, WAZ, 25. September 2017.
- ↑ Bundestagswahl – So hat der Wahlkreis 119 Essen II gewählt, WAZ, 25. September 2017.
- ↑ Alice Weidel als Beisitzerin in AfD-Vorstand gewählt, Zeit online, 3. Dezember 2017.
- ↑ Essener Guido Reil in AfD-Bundesvorstand gewählt, wdr.de, 3. Dezember 2017
- ↑ Essener Guido Reil in den AfD-Bundesvorstand gewählt, WAZ, 3. Dezember 2017.
- ↑ Katrin Bennhold: Workers of Germany, Unite: The New Siren Call of the Far Right, New York Times, 5. Februar 2018.
- ↑ Moritz Küpper: AWO will AfD-Mitglied loswerden, Deutschlandfunk, 15. Dezember 2016.
- ↑ Frank Stenglein: Awo-Bundesschiedsgericht bestätigt Ausschluss von Guido Reil, WAZ, 16. Oktober 2017.
- ↑ Christina Hahn: AfD-Landtagskandidat darf nicht mehr für die Awo arbeiten, WeltN24, 17. Februar 2017.
- ↑ AfD-Mann Guido Reil spricht von „Awo-Volksgerichtshof“, WAZ, 20. Oktober 2017.
- ↑ Wolfgang Kintscher: Guido Reil kontra RAG: „Er steht da und wartet auf Arbeit“, Neue Ruhr Zeitung, 17. Januar 2018.
- ↑ Matthias Biesel: Essener AfD-Mann Guido Reil erhebt in Anwalts-Schreiben Vorwürfe gegen die Polizei, DerWesten, 17. Mai 2018. Das darin verlinkte anwaltliche Schreiben ist hier veröffentlicht (pdf-Datei).
- ↑ Jürgen von Polier, Daniel Sobolewski: Bei Demo zum 1. Mai in Essen: AfD-Politiker Guido Reil in Polizeigewahrsam genommen, DerWesten, 1. Mai 2018.
Personendaten | |
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NAME | Reil, Guido |
ALTERNATIVNAMEN | Reil, Guido Thorsten (vollständiger Name) |
KURZBESCHREIBUNG | deutscher Politiker (AfD) und Bergmann |
GEBURTSDATUM | 28. Januar 1970 |
GEBURTSORT | Gelsenkirchen |