Heinrich Breloer

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Heinrich Breloer (* 17. Februar 1942 in Gelsenkirchen) ist ein deutscher Autor und Filmregisseur. Breloer konzipierte maßgeblich das Film-Genre Doku-Drama, damit behandelte er in einer Verbindung von Spielfilm und Dokumentarfilm vor allem Themen zur neueren deutschen Geschichte und wurde dafür vielfach ausgezeichnet.

Heinrich Breloer, 2005

Leben und Werk

Breloers Eltern waren Hoteliers,[1] die in Marl das Hotel Loemühle betrieben.[2] Er wuchs in Recklinghausen und Marl auf, besuchte als Schüler das Canisianum in Lüdinghausen und studierte von 1961 bis 1970 Literaturwissenschaft und Philosophie in Bonn und Hamburg. Am 2. Februar 1962 hat er an der Bonner Bühne für sinnliche Wahrnehmung - KONZIL mit fotografischen Arbeiten teilgenommen. 1976 wurde er an der Universität Hamburg mit einer literatur- und theaterwissenschaftlichen Dissertation über Georg Kaisers Drama Die Koralle. Persönliche Erfahrung und ästhetische Abstraktion promoviert.

Seit 1972 ist er als freier Autor tätig. Zunächst schrieb Breloer sowohl Film- und Fernsehkritiken für eine Hamburger Tageszeitung als auch Hörfunkbeiträge. 1978 drehte er zusammen mit dem Regisseur Horst Königstein seinen ersten längeren Film. Breloers zentrales Thema ist die jüngere deutsche Geschichte. Was bei ihm zunächst als reiner Dokumentarfilm begann, entwickelte sich über die Jahre zum Genre Doku-Drama. Anfangs nannte er die gemeinsam mit Königstein entwickelte, von beiden zuerst 1987 in Das Beil von Wandsbek praktizierte Mischung aus Filmdokumenten, Interviews und Spielszenen noch „Offene Form“. Sie verfeinerten diese Komposition zu einer Synthese, in der die nachgestellten Spielszenen den gleichen Stellenwert erhielten wie die Dokumentation. Der vielfache Adolf-Grimme-Preisträger brachte dies zur Perfektion mit seinem dreiteiligen Film Die Manns - Ein Jahrhundertroman über die Familie des deutschen Schriftstellers Thomas Mann. Elisabeth Mann Borgese, die jüngste Tochter Thomas Manns, reist darin mit Breloer als Interviewer auf den Spuren ihrer Familiengeschichte durch Europa und nach Amerika. Gespräche mit anderen Familienmitgliedern und Weggefährten der Mann-Kinder ergänzen den dokumentarischen Hintergrund der Spielszenen.

Unter dem Titel Speer und Er realisierte Breloer im Jahre 2005 ein Fernseh-Dokudrama über den Architekten Albert Speer, insbesondere über dessen Beziehung zu Adolf Hitler. Die Beschäftigung Breloers mit dieser Biografie hatte 1981 begonnen, als er Speer noch kurz vor dessen Tod persönlich begegnet war. Der Film konfrontierte Speers Kinder mit der Karriere ihres Vaters als Künstler, als Technokrat, als Kriegsverbrecher. Gespräche mit Zeitzeugen und Statements von Fachhistorikern ergänzten die szenische Lebenserzählung. Kritiker bescheinigten Breloer, ein differenziertes Bild Speers entworfen zu haben, das sich von der lügenhaften Selbstdarstellung von Hitlers Beinahe-Freund in seinen Erinnerungen ebenso deutlich abgrenzte wie von der Vorstellung vom "guten Nazi" Speer, die von der Geschichtswissenschaft zwar widerlegt, in der öffentlichen Meinung aber noch vorherrschend war. Dagegen urteilte der Zeithistoriker Wolfgang Benz, Breloer hätte sich zu sehr auf die Perspektive Speers eingelassen.[3] Die Speer-Biografin Gitta Sereny wiederum warf dem Film vor, Speers Mitschuld an der Vertreibung und Vernichtung der europäischen Juden zu übertreiben. Breloer sagte, dass er mehr an einem "suchenden Fernsehen" als einem "verurteilenden Fernsehen" interessiert sei.[4]

Breloers bisher letztes Projekt war die Verfilmung des Romans Buddenbrooks von Thomas Mann. Mit über 1,2 Millionen Zuschauern (September 2009) war der Film ein großer Publikumserfolg.

Breloer ist in zweiter Ehe mit der Regisseurin Monika Winhuisen verheiratet. Er hat zwei Kinder und wohnt in Köln.

Vorlass bei der Deutschen Kinemathek

Breloer übergab im Jahr 2011 der Berliner Stiftung Deutsche Kinemathek einen Teil seines privaten Produktionsarchivs als Vorlass. Es waren bis dahin 130 Kisten, die das Archiv seit 2012 kontinuierlich im Internet zugänglich machen will. Aus Gründen des Datenschutzes wurde ein Teil der Unterlagen des Archivs 2012 noch nicht ins Netz gestellt. Später erfolgte auch die Publikation seiner zweiteiligen Wehner-Biographie Wehner – die unerzählte Geschichte.

Filme (Auswahl)

  • 1975: Fernsehauge, Tagesschau – Eine Woche wie jede andere
  • 1978: Bi und Bidi in Augsburg (Dokumentarfilm über den jungen Bertolt Brecht und Paula Banholzer)
  • 1980: Mein Tagebuch (zehnteiliger Dokumentarfilm)
  • 1982: Das Beil von Wandsbek (Dokudrama)
  • 1983: Treffpunkt im Unendlichen – Die Lebensreise des Klaus Mann (Dokudrama)
  • 1984: Kampfname: Willy Brandt (Dokumentarfilm)
  • 1985: Größenwahn. Revue der ersten und letzten Tage (Dokudrama)
  • 1986: Die Geschichte des Dritten Fernsehprogramms
  • 1987: Eine geschlossene Gesellschaft (Dokudrama)
  • 1989: Die Staatskanzlei (Dokudrama zur Barschel-Affäre)
  • 1991: Kollege Otto – Die Coop Affäre (Dokudrama)
  • 1993: Wehner – die unerzählte Geschichte (Dokudrama)
  • 1994: Einmal Macht und zurück (Dokudrama zur Schubladenaffäre)
  • 1994: Meine Bildergeschichte (ca. 45-teilige Kurz-Fernsehfilmreihe)
  • 1997: Todesspiel (Dokudrama)
  • 2001: Die Manns – Ein Jahrhundertroman (Dokudrama)
  • 2004: Speer und Er (Dokudrama)
  • 2008: Buddenbrooks
  • 2019: Brecht

Dokumentation

  • Gedanken auf glitzernden Flügeln. Der Filmemacher Heinrich Breloer. Dokumentarfilm, Deutschland, 2010, 43 Min., Buch und Regie: Inga Wolfram, Produktion: DOKfilm, WDR, arte, Erstausstrahlung: 19. Dezember 2010, [1] von arte (Memento vom 25. März 2013 im Internet Archive).

Auszeichnungen

  • 1979: Adolf-Grimme-Preis
  • 1983: Preis des Kultusministers von NRW im Rahmen des Adolf-Grimme-Preises
  • 1983: Adolf-Grimme-Preis mit Gold
  • 1987: Adolf-Grimme-Preis mit Silber
  • 1983: Gold Medal des New York Film- und TV-Festivals
  • 1989: Kulturpreis Kultur Aktuell des Landeskulturverbands Schleswig-Holstein
  • 1990: Fernsehfilmpreis der Deutschen Akademie der Darstellenden Künste für Die Staatskanzlei
  • 1991: Goldener Gong (Zeitschrift)
  • 1991: Bayerischer Fernsehpreis
  • 1992: Ernst-Schneider-Preis
  • 1992: Adolf-Grimme-Preis mit Gold
  • 1993: Prix Europa
  • 1993: Adolf-Grimme-Preis
  • 1994: DAG-Fernsehpreis in Gold
  • 1994: Goldener Gong
  • 1994: Filmpreis Rheinland-Pfalz
  • 1995: ZDF-Telestar
  • 1997: Sonderpreis des Bayerischen Fernsehpreises
  • 1997: Sonderpreis für dokumentarisches Fernsehspiel beim Fernsehfilm-Festival Baden-Baden
  • 1997: Bambi (Auszeichnung)
  • 1997: ZDF-Telestar
  • 1997: Goldener Löwe (Fernsehpreis RTL)
  • 1998: DAG-Fernsehpreis in Gold
  • 1999: Bundesverdienstkreuz
  • 2002: Deutscher Fernsehpreis: Fernsehereignis des Jahres, Grimme-Preis in Gold, Bayerischer Fernsehpreis (Blauer Panther), Goldene Kamera für Die Manns - Ein Jahrhundertroman
  • 2002: Emmy Award für Die Manns - Ein Jahrhundertroman
  • 2002: Golden Gate Award, San Francisco International Film Festival für Die Manns - Ein Jahrhundertroman
  • 2002: Goldene Nymphe, Monte Carlo International TV Festival für Die Manns - Ein Jahrhundertroman
  • 2002: Goldene Romy (Fernsehpreis) Spezialpreis der Jury für Die Manns - Ein Jahrhundertroman
  • 2005: Siebenpfeiffer-Preis
  • 2005: Hans Abich Preis
  • 2005: Goldene Olive beim International Festival in Bar, Montenegro für Speer und Er
  • 2006: Verdienstorden des Landes Nordrhein-Westfalen
  • 2006: Goldene Romy für den besten Fernsehfilm Speer und Er
  • 2006: Goldene Magnolie beim Shanghai TV Festival, beste Regie für Speer und Er
  • 2006: Fernsehfestival in Banff, Kanada, bester Film in der Kategorie History and Biography für Speer und Er
  • 2009: RomaFictionFest Rom, bester Film, beste Regie für die Buddenbrooks
  • 2012: Stern auf dem Boulevard der Stars

Schriften

  • Georg Kaisers Drama „Die Koralle“. Persönliche Erfahrung und ästhetische Abstraktion. Mit einem biografischen Aufriss. Lüdke, Hamburg 1977, 504 S., Universität Hamburg, Dissertation (1976).
  • mit Horst Königstein: Blutgeld. Materialien zu einer deutschen Geschichte. Prometh Verlag, Köln 1982, 149 S.
  • Heinrich Breloer (Hrsg.): Mein Tagebuch: Geschichten vom Überleben 1939–1947.Verlagsgesellschaft Schulfernsehen, Köln 1984, 528 S.
  • mit Frank Schauhoff: Mallorca, ein Jahr. Ein Inselroman. Kiepenheuer und Witsch, Köln 1995, 306 S., ISBN 978-3-462-04021-0.
  • Todesspiel. Von der Schleyer-Entführung bis Mogadischu. Eine dokumentarische Erzählung. Kiepenheuer und Witsch, Köln 1997.
  • Heinrich Breloer (Hrsg.): Geheime Welten. Deutsche Tagebücher aus den Jahren 1939 bis 1947. Eichborn, Frankfurt am Main 1999, Reihe Die Andere Bibliothek, 281 S., ISBN 978-3-8218-4484-8.
  • mit Horst Königstein: Die Manns. Ein Jahrhundertroman. S. Fischer, Frankfurt am Main 2001, 578 S., Ill., ISBN 3-10-005230-7.
  • Unterwegs zur Familie Mann. Begegnungen, Gespräche, Interviews. S. Fischer, Frankfurt am Main 2001, 558 S., Ill., ISBN 3-10-005231-5.
  • Speer und Er. Hitlers Architekt und Rüstungsminister. Propyläen Berlin 2005, 415 S., Ill., ISBN 3-549-07193-0.
  • Unterwegs zur Familie Speer. Begegnungen, Gespräche, Interviews. Propyläen Berlin 2005, 608 S., ISBN 3-549-07249-X.
  • mit Rainer Zimmer: Die Akte Speer. Spuren eines Kriegsverbrechers. Propyläen, Berlin 2006, 512 S., Ill., ISBN 978-3-549-07287-5.
  • Thomas Manns „Buddenbrooks“. Ein Filmbuch von Heinrich Breloer. S. Fischer, Frankfurt am Main 2008, 384 S., Ill.,ISBN 978-3-10-005234-6.

Literatur

  • Tobias Ebbrecht, Matthias Steinle: Dokudrama in Deutschland als historisches Ereignisfernsehen – eine Annäherung aus pragmatischer Perspektive. In: Christian Hißnauer: Das Doku-Drama in Deutschland als journalistisches Politikfernsehen – eine Annäherung und Entgegnung aus fernsehgeschichtlicher Perspektive, in: MEDIENwissenschaft, Schüren Verlag, Marburg 2008, Nr. 3, ISSN 2196-4270, S. 250–265, doi:10.17192/ep2008.3.25, online-Artikel.
  • Christian Hißnauer: Geschichtsspiele im Fernsehen. Das Dokumentarspiel als Form des hybriden Histotainments der 1960er und 1970er Jahre. In: Klaus Arnold et al. (Hrsg.), Geschichtsjournalismus. Zwischen Information und Inszenierung. Lit, Münster 2010, ISBN 978-3-643-10420-5, S. 293–316, eingeschränkte Vorschau in der Google-Buchsuche
  • Christian Hißnauer: Hybride Formen des Erinnerns: Vorläufer des Doku-Dramas in den 1970er Jahren. In: Monika Heinemann, Peter Haslinger et al. (Hrsg.), Medien zwischen Fiction-Making und Realitätsanspruch. Konstruktionen historischer Erinnerungen. Oldenbourg, München 2011, ISBN 978-3-944396-10-1.
  • Joanna Jambor, Christian Hißnauer, Bernd Schmidt: Horst Königstein: Wagemutiges Fernseh-Spiel. Eine Betrachtung im Spektrum überkommener und aktueller Formen. In: Christian Hißnauer (Hrsg.): Das bundesdeutsche Fernsehspiel der 1960er und 1970er Jahre. Themenheft 3–4/2011 der Zeitschrift Rundfunk und Geschichte, S. 60–75, online-Datei.
  • Christian Hißnauer, Bernd Schmidt: Wegmarken des Fernsehdokumentarismus: Die Hamburger Schulen. UVK, Konstanz 2013, ISBN 978-3-86764-387-0.

Weblinks

Einzelnachweise

  1. Interview. In: tz online, 31. Juli 2008.
  2. Wolf, Fritz: Der freundliche Dickschädel. In: Handelsblatt, 6. August 2004.
  3. Benz, Wolfgang, zu viel versprochen. Breloer hat Speers Mythos nicht entzaubert, in: Süddeutsche Zeitung vom 17. Mai 2005
  4. Sereny, Gitta: Wie viel wusste Speer?, in: Tagesspiegel vom 9. Mai 2005.