Margarethe Zingler
Margarethe Zingler, geb. Margarethe Agnes Selina Wiesner, (* 6. November 1885 in Jauer (pol. Jawor), Regierungsbezirk Liegnitz, in Niederschlesien; † 16. Juni 1973 in Gelsenkirchen) war eine deutsche Sozialpolitikerin.
Leben
Die Tochter einer Beamtenfamilie absolvierte zunächst die Volksschule und erhielt daneben Privatunterricht in französischer und englischer Sprache und in Literatur. Im Alter von 29 Jahren heiratete sie den Schriftleiter Alfred Wilhelm Hermann Zingler. Die Ehe blieb kinderlos. Es heißt, dass beide Eheleute keine Kinder wollten, weil ihr berufliches und politisches Engagement nicht mit ihrer Vorstellung von einer guten Kindererziehung in Einklang zu bringen gewesen sei. Ab 1916 lebte das Ehepaar in Tilsit in Ostpreußen, wo Alfred Zingler die Schriftleitung der Zeitung übernommen hatte. Am 10. Februar 1919 trat ihr Mann, am 1. April 1919 Margarethe Zingler selbst in die Mehrheits-Sozialdemokratie ein.
Nach 1923 zog das Paar nach Gelsenkirchen. Alfred Zingler wurde leitender Redakteur der sozialdemokratischen Zeitung "Volkswille". Beide Eheleute engagierten sich in der sozialdemokratisch orientierten Wohlfahrts- und Selbsthilfeorganisation Arbeiterwohlfahrt und in Organisationen der Arbeiterkultur. Ihr Hauptbetätigungsfeld fand Margarethe Zingler in den sozialdemokratischen Frauengruppen. Ende der zwanziger Jahre war das "August-Bebel-Haus" im Margaretenhof, heute (Haus Alfred Zingler Haus), in Bulmke errichtet worden. Es diente den sozialdemokratischen Verbänden als Treffpunkt und Agitationsforum. In der Beratungsstelle und der Nähstube der Arbeiterwohlfahrt wirkte Margarethe Zingler aktiv mit. Schon bald vertraute man ihr die Leitung aller SPD-Frauengruppen an. Von 1923 bis 1933 war sie Vorstandsmitglied der örtlichen Arbeiterwohlfahrt.
Bei den Wahlen am 20. Mai 1928 war sie zur Stadtverordneten gewählt worden. Nachdem die Nationalsozialisten an die Macht gekommen waren, verhafteten sie 1933 noch während des Wahlkampfes die Mitglieder der Arbeiterparteien SPD und KPD. Am 23. Februar 1933 wurde das "August-Bebel-Haus" beschlagnahmt, am 2. Mai wurden die Gewerkschaften verboten, am 1. Oktober ging das August-Bebel-Haus in den Besitz der Hitler-Jugend über.
Wann genau Margarethe Zingler über die "Grüne Grenze" in die Niederlande flüchtete ist nicht bekannt. Alfred Zingler hatte am 5. Mai 1933 Deutschland verlassen und Zuflucht bei Mitgliedern der "Sociaaldemocratischen Arbeiders Partij" (SDAP) in Hengelo gefunden. Margarethe und Alfred Zingler korrespondierten mit Mitgliedern der verbotenen Sozialdemokratie in ihrer Heimatstadt und im Ausland und sie betätigten sich in der sozialdemokratischen Bewegung der Niederlande.
Bei der Besetzung der Niederlande wurde das Ehepaar am 2. Juli 1943 verhaftet und in verschiedenen Gefängnissen festgehalten. Am 3. Januar 1944 in das Gelsenkirchener Gefängnis eingeliefert, wurden Alfred und Margarethe Zingler angeklagt, "durch die Anknüpfung und Aufrechterhaltung illegaler Beziehungen zu Hauptfunktionären der illegalen SPD, durch die Mitarbeit an illegalen Hetzschriften der SPD und deren Verbreitung im In- und Ausland gemeinschaftlich den marxistischen Hochverrat vorbereitet zu haben". Alfred Zingler klagte man darüber hinaus an, "wehrkraftzersetzend" gewirkt zu haben und damit im Krieg die feindlichen Mächte unterstützt zu haben.
Alfred Zingler wurde am 17. Juli 1944 vom Berliner Volksgerichtshof zum Tode verurteilt und am 28. August 1944 hingerichtet. Erst danach, am 16. September 1944, tagte der Volksgerichtshof im Hochverratsprozess gegen Margarethe Zingler. In der Urteilsbegründung wird ihre eigene Widerstandstätigkeit als Hilfeleistung für ihren Mann ausgelegt. Der nationalsozialistische Unrechtsstaat erkannte "für Recht":
"Frau Margarethe Zingler hat vor dem Krieg in Holland für ihren Mann, einen emigrierten sozialdemokratischen Funktionär, Hetzmaterial auf der Schreibmaschine geschrieben. Dafür bekommt sie drei Jahre Zuchthaus. Ihre Haft wird ihr darauf angerechnet."
Am 9. November 1944 brachte man sie zur Verbüßung ihrer Strafe in ein Frauengefängnis nach Cottbus, von hier aus am 11. Februar 1945 in das Gefängnis in Leipzig, das am 19. April 1945 von amerikanischen Soldaten befreit wurde.
Noch im selben Jahr übernahm Margarethe Zingler Vorsitz und Geschäftsführung der Arbeiterwohlfahrt Gelsenkirchen. Die Leitung der Arbeiterwohlfahrt unterstand ihr bis in die sechziger Jahre. Nach ihrem Rücktritt aus Altersgründen wählte man sie zur Ehrenvorsitzenden. Margarethe Zingler starb am 16. Juni 1973 im Alter von 87 Jahren.
Sonstiges
Margarethe Zingler, die in der Waltraudstraße 9 [1]lebte, wurde auf dem Ostfriedhof beigesetzt [2] und nach ihr sind der Margaretenhof, der Margarethe-Zingler-Platz und die Kindertagesstätte Margarethe-Zingler Haus benannt worden.
Quellen
- Marlies Mrotzek - Aus: Von Hexen, Engeln und anderen Kämpferinnen - Stadtrundgänge aus Frauensicht in Gelsenkirchen. Hrsg.: Frauen- und Mädchenforum der Lokalen aGEnda 21 in Kooperation mit dem Frauenbüro der Stadt Gelsenkirchen und dem aGEnda 21-Büro. Gelsenkirchen 2001.
(Textauszug, redaktionell bearbeitet durch das aGEnda 21-Büro)
- Stefan Goch: Alfred und Margarethe Zingler: Asylanten - Exemplarische Materialien zum Schicksal politischer Flüchtlinge während des Nationalsozialismus - Schriftenreihe des Instituts für Stadtgeschichte - Materialien Band 2. Klartext Verlag, Essen 1993, ISBN 3-88474-049-0.
Weblinks
Thematisch passender Thread im Forum
- agenda21
- Arbeitskreis der Gedenkstätten NRW: Kurzbiographie zu Alfred und Margarethe Zingler
- Todesurteil gegen Alfred Zingler vom 17. Juli 1944
Einzelnachweise
- ↑ Adressbuch 1966
- ↑ Gelsendienste: Ehrengräber der Stadt
Personendaten | |
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NAME | Zingler, Margarethe |
KURZBESCHREIBUNG | deutsche Sozialpolitikerin |
GEBURTSDATUM | 06. November 1885 |
GEBURTSORT | Jauer, Niederschlesien |
STERBEDATUM | 16. Juni 1973 |
STERBEORT | Gelsenkirchen |