Umgemeindungsgesetz
Bereits in der Kaiserzeit hatte man im prosperierenden Ruhrgebiet über kommunale Neugliederungen nachgedacht. Nach der Jahrhundertwende wurde der Neuordnungsdruck stärker: Durch das Bevölkerungswachstum einst kleiner Dörfer zu Kleinstädten wurden neue Aufgaben der Städte und Gemeinden nötig. Einzelne Städte konnten selbständige Landgemeinden einverleiben. So wurde Gelsenkirchen 1903 durch die Eingemeindung der Gemeinden Bismarck, Bulmke, Hüllen,Ückendorf und Schalke zur Großstadt mit mehr als 100.000 Einwohnern. Bochum folgte 1904 mit der Eingemeindung von Grumme, Hamme, Hofstede und Wiemelhausen. 1908 erhob die Stadt Gelsenkirchen den Anspruch auf die Eingemeindung des restlichen Landkreis Gelsenkirchen, zu dem neben Stadt und Amt Wattenscheid die Ämter Eickel und Wanne gehörten. Die Eingemeindungsdiskussion war wieder in Gang gekommen. In Wattenscheid regte sich daraufhin Widerstand, der am 7. April 1911 im Beschluss der Stadtverordneten manifestierte, die 7 Amtsgemeinden mit der Stadt Wattenscheid zu kreisfreien Mittelstadt Wattenscheid zusammenzuschließen.
Durch den 1. Weltkrieg wurde die Eingemeindungsdiskussion unterbrochen. Die kommunale Neuordnung war jedoch ein so starkes Bedürfnis, dass sie direkt nach dem Krieg von der preußischen Staatsregierung und dem preußischen Landtag angegangen wurde. Da man von der Notwendigkeit der Kooperation zwischen den Ruhrgebietsstädten überzeugt war, wurde der „ Siedlungsverband Ruhrkohlenbezirk“ (SVR) am 5. Mai 1920 gegründet. Diese Institution erhielt zentrale Aufgaben für alle Gemeinden. Der SVR erhielt die Planungshoheit für Grünflächen und Straße auf Verbandsebene. Der Bestandsschutz von zusammenhängenden Grünflächen sollte Vorrang vor der Zersiedelung von Landschaft durch ungezügelte Industrieansiedlungen und ausufernden Wohnungsbau haben. Ebenso wurden die konkurrierenden Straßenbahngesellschaften zu Gemeinschaftsverkehren gebracht und die Planung neuer Linien dem SVR übertragen. Neben der Gründung des SVR gingen die Verhandlungen zwischen den einzelnen Gemeinden weiter. Es kam auch zu Abstimmungen, in denen sich kleinere Gemeinden zur Gebietsreform äußern konnten. Der SVR nahm detailliert zu den Vorstellungen aller Gemeinden im Jahre 1922 Stellung und schlug willkürliche Grenzziehungen vor, die sich nicht an bestehenden Grenzen orientierten, sondern „praktisch“ sein sollten: Eisenbahnlinien wurden häufig als künftige Gemeindeabgrenzungen vorgeschlagen.
Gelsenkirchen gelang es bereits 1924, die Gemeinde Rotthausen, bis dahin im Landkreis Essen, in sein Stadtgebiet einzuverleiben. Die weiteren Umgemeindungen im mittleren Ruhrgebiet erfolgten zum 1. April 1926. Neben Gelsenkirchen bemühte sich auch Bochum um die Eingemeindung von Teilen Wattenscheids. Die Gemeinden Eppendorf, Höntrop und Westenfeld weckten hier insbesondere die Begehrlichkeiten. Der Bochumer Verein hatte in den drei Gemeinden Anfang der 20er Jahre das „Werk Höntrop“, ein Walzwerk, erbaut. Die Stadt Bochum argumentierte, dass eine Industrieanlage in einer Stadt sein müsse, um dieser das Bestehen zu erleichtern. Ebenso wurde die Zeche Vereinigte Engelsburg von der Stadt Bochum gefordert. Der preußische Landtag folgte dieser Argumentation und schlug das Werk der Stadt Bochum zu, die Ortschaften selbst kamen zum Amt Wattenscheid.
Der Kreisausschuss des Landkreises Gelsenkirchen schrieb am 24. März 1926 an den Wattenscheider Amtmann Ludwig Baumann:
Zitat: "Der Herr Regierungspräsident hat Sie mit Verfügung vom 19. März des Jahres zum Kommissar für die Stellvertretung des Bürgermeisters Dr. Ueberhorst in den Angelegenheiten der erweiterten Stadt Wattenscheid bis zur Neuwahl der Gemeindeorgane ernannt."
Am 9. Februar 1926 wurde letztlich das Umgemeindungsgesetz verabschiedet und konnte damit am 1. April in Kraft treten.
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