Was ist Heimat?

Menschen vieler Nationen leben in Gelsenkirchen friedlich zusammen. Erzählt aus eurem multikulturellen Alltag.

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Lukullus
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Beitrag von Lukullus »

Der Text, der mir dazu einfällt, mag ein bißchen seltsam anmuten...aber so habe ich es erlebt.
Als ich noch in Bergmannsglück gewohnt habe, war die Antwort klar: Bergmannsglück, die eigene Staße, das vertraute Umfeld. Was über Buer hinausging, war "fern der Heimat".
Kaum war ich in München, war ganz Gelsenkirchen etwas, was mir feuchte Augen bereitete.
Bei einigen längeren Auslandsaufenthalten war es dann auf einmal die Bundesrepublik Deutschland, und bei der Landung in Frankfurt fühlte ich mich schon "zu Hause"...ich habe für mich also den Eindruck gewonnen, "Heimat" ist eine Frage der Entfernung zu ihr.
Je weiter weg von ihr, desto umfassender wird sie.
und wenn alle einmal nur Gutes über mich reden, dann weiß ich, daß ich tot bin

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Westfale
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Beitrag von Westfale »

Um es mal im Ruhrpottdeutsch auszudrücken:
"Heimat is so watt wie Kleister, dat hält ein ganz schön fest"
Westfale
Aus der Hochstraße darf keine Bahnhofstraße 2.0 werden.

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Emscherbruch
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Beitrag von Emscherbruch »

Heimat ist da, wo die Rückholfeder befestigt ist.
Stell dir vor, es geht und keiner kriegt's hin.

Mic
† 3. 12. 2014
Beiträge: 129
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Was ist Heimat?

Beitrag von Mic »

Die Heimat für mich,ist der Anfang,und die Vergangenheit.
Hatten wir Glück,sind wir in Gelsenkirchen,geboren.
Der erste Blick ins Leben.
Die ersten Lebenserfahrungen.
Alles mit der Heimat verbunden.
Dann kommt die Neugier und die Wanderlust.
Die neuen erstenErfahrungen,nicht so wie in der
Heimat.
Nie vergesse ich meinen Anfang,die Heimat,
Mein Zuhause,Mein Gelsenkirchen,Meine Vergangenheit.
Aus Edmonton, Canada
Glückauf,
MIC

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Chronistin66
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Wohnort: Gelsenkirchen

Beitrag von Chronistin66 »

Mein Bruder hat mir in mein Poesiealbum geschrieben:

Bild

Daneben malte das:

Bild

Also einen flotten Dreimaster um abzuhauen. :lol:

Das ist über 35 Jahre her. Er hatte aber Recht!

Mich zieht es immer in die Ferne! Ich reise gerne und mache gerne Urlaube. Aber wenn ich nach einer Reise das braune Autobahnschild "Ruhrgebiet" oder "Kulturhauptstadt 2010" oder was da auch immer auf diesen brauen Schildern steht, sehe, dann denke ich:

Da bin ich wieder! Hier iss auch schön!

Meine Heimat ist - im Gegensatz zu Zuzu - da, wo meine Wiege stand und ich finde - im Gegensatz zu Zuzu - kein zweites Heimatland. :wink:

Zuzu und andere Menschen, die sich "meine" Heimat ausgesucht haben oder die sich meine Heimat aussuchen mussten und Gelsenkirchen - warum auch immer - zu ihrer Heimat gemacht haben, heiße ich rechtherzlich Willkommen.

Andere, die meine Heimat "schlecht" machen, erhläre ich immer und immer wieder, dass es hier schön ist.

Doro

Der Feldmarker
Abgemeldet

Beitrag von Der Feldmarker »

Hallo zusammen,

Gelsenkirchen ist meine Heimat. Erst Ückendorf 45 Jahre - dann Feldmark. Hier sind meine sozialen Kontakte. Ich stand mal kurz vor dem Wechsel, meine Heimat, mein Haus zu verlassen - ganz woanders hin zu ziehen oder arbeitslos zu werden.

Ich noch - so glaube ich - hätte ich mich für die Arbeitslosigkeit entschieden.

Hier ist mein zu Hause.

Zum Glück hat sich alles zum Guten gewendet.

Glückauf
Der Feldmarker

Jazzam
Abgemeldet

Beitrag von Jazzam »

Troy hat geschrieben:Zuhause hat für mich was mit "ankommen und bleiben" zu tun.
Das ist da, wo ich mal begraben sein möchte.
Wenn ich gelegentlich über Friedhöfe geh, denk ich meistens:
Nö, hier nicht!
Das habe ich immer über Bielefeld und Gelsenkirchen gedacht.
Für den letzten Platz wollte ich mir irgendeinen Hügel, jedenfalls etwas mit "Ausblick" aussuchen. Ob ich das noch schaffen werde? Dass mit der Heimat finden? Wäre ja schön, wenn das noch vor dem Sterben klappen könnte.

Gelsenkirchen ist vielleicht nicht die Heimat, aber es ist zumindest ein Teil meiner Vergangenheit, die ich als angenehm in Erinnerung habe - die Ferientage und -wochen bei meinen Großeltern in den 70er und 80er Jahren.

Heimat - vielleicht auch immer ein wenig in sich selber und in den Welten, in denen man sich wohlfühlt.

TheoLessnich
Abgemeldet

Beitrag von TheoLessnich »

Heimat ist mehr als um zwei Buchstaben erweitertes Heim. Mutter sagte immer: Das sind Heimatlaute. Das war Pferdegetrappel, die Requiem blasende Bergmannskapelle, wenn einer auf seinem letzten Weg, begleitet von Männern mit Zylinderhüten, in einem schwarzen Pferdewagen zum Ostfriedhof gebracht wurde. Wie auch das metallische Klingen, wenn der Lebensmittelhändler gegenüber mit seinen Milchkannen hantierte, wie die auf dem Schulhof vis à vis gebellten Befehle und das anchließende Tschinderassa-bum, wnn die braun uniformierten Hitlerjungen durch das breite Gittertor auf die Erdbrüggenstraße und von da wer weiß wohin marschierten. Das war der unverkennbare Geräuchmix, wenn kurz vor dem Einschlafen noch ein Zug durch den "Erlenkamp" fuhr und meine Träume und Grüße an die große unbekannte Ferne mitnahm.

Später übernahmen das die Schiffe auf dem Rhein. Wenn das Gartenlokal gegenüber schloss, das Stimmengewirr, das Klappen der Autotüren verklungen war, vernahm ich den Schlag ihrer stählernen Herzen. An der Lautstärke und dem Rhythmus konnte ich genau unterscheiden, wer vom Berg und wer gegen den Berg (die Wasserströmung) fuhr, wie ich seinerzeit auch unterscheiden konnte, ob die Bomberverbände schwer beladen Frankfurt anflogen oder ihrer Last entledigt auf dem Rückflug waren.

Heimatlaute, das ist auch die Stimme der Frau - auf meinem Gang zum Brötchen holen -, die stereotyp verkündet: "So, gleich gehen wir wieder nach oben und machen es uns gemütlich." Spricht sie mit sich selbst oder mit der Promenadenmischung an der Leine? Wetten, sie weiß es selbst nicht.

Heimatspezifische Geräusche und Laute sind von Schiffsdieseln, sind von Dampflokomotiven, ist der Jazz in Dannys Kellerbar in Hamburg-Uhlenhorst, die Selbstschussgeräte in Koblenz-Moselweiss, mit denen die Winzer ihre Weinberge vor Vogelfraß schützen. Ganz und gar nicht spezifisch ist das allgegenwärtige lieblos tönende Erz von den Glockentürmen.

Als meine Familie wegen der Bombenangriffe Gelsenkirchen verließ, trauerte ich lange um die Heimat meiner Kindheit, war aber in freudiger Erwartung des Wiedersehens, um dann festzustellen - niemand kann zweimal in demselben Fluss baden. Doch auch der zweite Akt Heimat Gelsenkirchen hatte mit Schleuderbüchse, Zwille, Pöhlen auf toten Schulhöfen, Schwarzmarkt durchaus seine konkurrenzfähigen Reize, nur weniger Illusionen.

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