Hallo Leute!
Hier mal eine kleine Leseprobe aus dem Buch
Wikingerwelten II.
Geschichte 7. Der Araber und der Seekönig
Von der gegenüberliegenden Seite des Wolgaufers, aus den großen Sümpfen, zog dichter Frühnebel in das Lager der Waräger. Langsam schob sich die Sonne in der Ferne über den Rand der kaukasischen Berge, tauchte die Steppe in ein rotes Licht und das Leben des anbrechenden Tages, verdrängte die Ruhe der Nacht aus dem Lager der Wikinger. Die Wachen wurden abgelöst und vor den Zelten wurden die erloschenen Feuer neu entfacht. Frauen liefen nun umher, holten Wasser und begannen das Frühmahl herzurichten. Immer mehr Menschen traten ins Freie, um den Morgen, mehr oder weniger freundlich zu begrüßen. Einige von ihnen, Frauen wie auch Männer, entledigten sich ihrer Kleidung und wateten, an einer flachen Stelle, in das Wasser der nahen Wolga, um sich zu waschen.
Vor dem Zelt der Frauen des Seekönigs Gorm, standen zwei Wachposten, denn der Herr hatte nur der Gunhild erlaubt, das Zelt zu verlassen. Herja aber war nun eine Gefangene ihres Gemahls.
Die junge Frau hatte nur wenig geschlafen, denn die Angst vor der Wasserprobe hatte ihr lange die Ruhe geraubt. Und wenn es ihr endlich einmal gelang in Schlaf zu fallen, so überkamen sie grausige Albträume. Als wäre die Wasserprobe nicht schon Leid genug, erwartete sie eine noch viel schlimmere Qual, wenn sich das Gottesurteil gegen sie wandte. Als sie noch ein Kind war, hatte sie einmal miterlebt wie ein Weib, das des Ehebruchs überführt war und zum Tode verurteilt, mit gefesselten Gliedern in den Sumpf geführt wurde. Immer noch hallten in ihrem Gedächtnis die gellenden Schreie der Unglücklichen, als diese langsam im Moor versank. Ihr ängstliches Weinen, das zu einem Wimmern wurde, um dann in einem Gurgeln zu ersterben.
Es war schon fast zur Mittagszeit, als das Hornsignal Herja aus einer Art Dämmerschlaf riss. Die zwei Krieger traten in das Zelt und zerrten die junge Frau ins Freie. Die Sonne schien und Herja kniff ihre geröteten Augen zusammen, da sie das grelle Licht schmerzte. Ihr sonst so schön gepflegtes und langes Lockenhaar, hing ihr zerzaust über die Schultern herab. Ihr Gesicht war bleich und dunkle Ränder unter ihren Augen, zeugten von Schlaflosigkeit und Angst.
Thorhild die Seherin des Gorm, die auch das Totenweib war, trat neben Herja und riss diese, am Arm haltend, mit sich. Vor dem Zelt des Seekönigs Gorm, stand dessen Hochstuhl und der Anführer der Waräger hatte darauf platz genommen.
„Hier ist das Weib dem vorgeworfen wird, dich mit einem anderen Mann betrogen zu haben!“ rief die kräftige Thorhild laut aus und stieß Herja unsanft vor den Thron ihres Gemahls. „Die Götter zeigten mir, dass sie das Lager mit einem anderen teilte!“
Mit einem Wink gab König Gorm das Zeichen und zwei kräftige Kerle schleppten einen großen, eisernen Topf herbei. Vorsichtig taten sie dies, auf das sie nichts von dem Inhalt verschütteten, denn noch brodelte das Wasser in dem Topf, der gerade noch auf dem lodernden Feuer gestanden hatte. Sie stellten den ehernen Kessel vor ihrem König ab und dieser erhob sich. „Noch einmal frage ich dich, hast du dich einem Kerl hingegeben, Herja?“ rief er, so dass die große Menge der Umstehenden seine Worte gut vernehmen konnten. Doch Herja schwieg!
„Dann sollen die Götter uns die Wahrheit zeigen. Bist du Unschuldig, so wirst du die Probe unbeschadet überstehen!“
Da trat Herja an den Kessel. Stumm und ohne jede äußerliche Regung tauchte sie ihre Arme in das kochende Wasser. Gespannte Stille lag über der Menge der Schaulustigen und erst als Gorm das Zeichen dafür gab, zog die junge Frau, deren Gesicht kreidebleich geworden war, die Arme aus dem Kessel. Die gerade noch weiche, gepflegte Haut des schönen Weibes, war von großen Blasen bedeckt und hing zum Teil schon in Fetzen von den Armen herab. Ihre zarten Hände waren zu Klumpen roten, gekochten Fleisches geworden. Für einen kurzen Moment sah sie Gorm an und sackte dann auf die Knie. Ihr Kopf neigte sich langsam auf die Brust und sie war ohne Besinnung. Das Totenweib zeigte auf ihre Arme. „Das ist der Beweis!“ rief sie hämisch aus.
„Du elendes Hurenweib! Sollen dich die Sümpfe verschlingen!“ rief Gorm wütend und trat vor die, auf dem Boden kauernde Frau. „Schafft sie fort und ersäuft sie im Moor!“
Da trat Jarl Ingmar aus der Menge und mit ihm einige seiner treuen Krieger. „Was willst du für sie haben, Gorm?“ brüllte er dem König entgegen. „Ich zahle dir einen guten Preis, wenn du sie mir überlässt!“
Gorm der Wolf sah den Jarl verwundert an, beugte sich seinem Gesicht entgegen und zischte mit verbissenem Antlitz. „Hast du nicht gehört? Sie geht in den Sumpf!“
„Ich will sie“, beharrte Jarl Ingmar trotzig.
„Bist du gar der Kerl, in dessen Zelt sie war?“ fragte der König zornig, wandte sich ab und ging einige Schritte. Doch noch einmal drehte er sich zurück. „Ingmar! Erbärmlicher Verräter und ehrloser Weiberheld!“
Da hob Jarl Ingmar seinen Speer und ließ diesen fliegen. Die scharfe Spitze bohrte sich Gorm tief in die Brust und die Krieger um Ingmar traten mit gezogenen Schwertern auf die Männer des Seekönigs zu. Doch zu sehr waren sie von dem Angriff überrascht worden und keiner erhob seine Waffe, denn der Schock saß tief. Stattdessen nahmen sie den Blut spuckenden König vom Boden auf, brachten ihn in sein Zelt und legten ihn auf sein Schlaflager. Auch Königin Gunhild steckte der Schreck in den Gliedern und sie hatte bei der Tat aufgeschrieen, doch nun führte sie die Männer an, die ihren Gemahl trugen. Eilig schickte sie einen Boten nach Etil, denn sie hatte ihren Mann von dem arabischen Heilkundigen reden hören. Als der Krieger sein Pferd vor der Herberge des Arabers zügelte, dampfte der Schweiß auf dem Fell des Tieres und auch der Reiter war erschöpft, von dem wilden Ritt. Doch der orientalische Arzt sprach voller Ruhe. „Du kommst zu spät! Dein Herr ist zu seinen Göttern gegangen!“
„Woher willst du das wissen? Los eile dich!“ befahl der Bote. Doch Ibn Fadlan rührte sich nicht. „Glaube mir, dein Herr ist tot!“
Argwöhnisch und mit Unglaube in seinem Gesicht, sah der Bote den Seher und Heiler an und dieser sprach: „Du kannst nichts daran ändern, doch ich werde dich in euer Lager begleiten. Meine Hilfe wird benötigt und ich will deinem toten König diese letzte Ehre erweisen!“
Als der ausgesandte Krieger und seine Begleiter das Lager der Waräger erreichten, herrschte eine gespannte, ja fast feindselige Stimmung und nur die Vertrauten des Jarls Ingmar liefen mit ihren Waffen umher und kontrollierten das Wik. Das Königsbanner auf dem Zelt des Gorm war verschwunden und es zeigte sich, dass Jarl Ingmar nun das Wort führte.
Kaum hatten sie ihre Pferde gezügelt, da trat auch schon ein Wächter auf die Ankommenden zu. „Bist du der arabische Heiler?“ fragte er Ibn Fadlan, der natürlich leicht an seiner orientalischen Kleidung zu erkennen war. Dieser nickte und schwang sich aus dem Sattel. Da wies ihm der Krieger den Weg zum Zelt des Jarls Ingmar. „König Gorm ist tot! Er braucht deine Hilfe nicht mehr“, sagte er streng, „doch der Jarl verlangt nach dir:“
Als der Araber und sein Diener das Zelt des Ingmar betraten, zwei Wächter gewährten ihnen Einlass, lag die schöne Herja leise wimmernd und zitternd auf dem Schlaflager des Wikingergrafen und Ingmar selbst, saß auf einem Schemel an ihrer Seite. Mit einem Tuch tupfte der kräftige und jähzornige Mann dem jungen Weib vorsichtig und fast liebevoll den Schweiß von der Stirn. Er sprang auf als er den Araber erblickte. „Wenn du dieses Lager lebend verlassen willst, dann heile sie Araber“, drohte der Jarl unverhohlen, doch Ibn Fadlan behielt die Ruhe und zeigte keinerlei Angst. Er verbeugte sich leicht zur Begrüßung, sah auf das Weib herab und lächelte. Dann gab er seinem Diener einige Anweisungen in arabischer Sprache und dieser verließ das Zelt, um wenig später mit dem Reisebeutel des Arztes zurückzukehren. „Herr der Waräger“, sprach dieser zu Ingmar und seine Worte klangen beleidigt. „Ich bin ein Heiler und es ist mein Begehr den Kranken und Hilfsbedürftigen zu helfen. So auch diesem Weib!“ Immer wieder übersetzte der Diener die Worte seines Herrn, die dem Ibn Fadlan in nordischer Sprache nicht bekannt waren. Doch Ingmar verstand den Mann auch so gut genug und er sah ein, dass seine Drohungen nicht von Nöten waren. Langsam nickte er zustimmend. Da gab der Arzt seinem Diener den Befehl frisches Wasser herbeizuschaffen, wühlte in dem Beutel und holte Töpfchen und Salbentiegel, sowie sauberen Verbandstoff hervor. In einem hölzernen Becher begann er einen Trank zu rühren, den er dem Weib langsam in den Mund träufelte. Und schon kurz darauf, verstummte das Wimmern der Verletzten und ihr Körper entspannte sich. Der Trank, der die Schmerzen lindern sollte, zeigte seine Wirkung und als Ingmar der Zornige sah, dass die Heilkräfte des Arabers groß waren, trat er neben den Mann aus Bagdad und legte diesem die Hand auf die Schulter. „Sehe dich als meinen Gast, Ibn Fadlan. Du sollst nicht länger mein Gefangener sein!“
Der arabische Diener übersetzte die Worte des Warägers und der Heiler lächelte freundlich, doch ließ er sich in seinem Tun nicht unterbrechen. Mit dem Wasser und einem Tuch tupfte er die Wunden ab, mischte Salben und Tinkturen und rieb damit die gekochten Hände und Arme des Weibes ein. Danach umwickelte er diese sorgsam mit dem Verbandstoff. Als die Arbeit vollbracht war, war die schöne Herja eingeschlafen. „Der Schlaf und die Ruhe werden die Heilung vorantreiben“, sprach Mohamed Ibn Fadlan und trat dann aus dem Zelt des Jarls. Da sah er, dass sich wieder eine große Menschenschar vor dem Zelt des toten Königs eingefunden hatte. Fragend schaute er den Jarl an, der ihm aus dem Zelt gefolgt war. „Was geht da vor sich?“ fragte der Fremde neugierig. „Warte ab und sieh“, bekam er zur Antwort. Die Sklavinnen des Gorm mussten sich vor dem Zelt ihres Herrn in eine Reihe stellen. Dann trat Thorir der Skalde vor sie und rief: „Wer von euch wird seinen Herrn begleiten? Wer will mit ihm gehen?“
Es herrschte Totenstille in der Menge vor dem Zelt und auch in der Reihe der Sklavinnen. Da wiederholte der Skalde seine Frage nach einem freiwilligen Opfer. Doch niemand rührte sich. Anscheinend hatte keine der Sklavinnen ihren Herrn so geliebt, dass sie ihm in das Totenreich folgen wollte. Wieder sah der Araber den Jarl fragend an. Doch dieser wies nur stumm mit dem Finger zum Geschehen vor dem Totenlager des Königs. Nun traten das erste Weib des Gorm, Königin Gunhild und das Totenweib Thorhild vor die Sklavinnen. Für einen Moment verharrten sie, bis Gunhild auf eine junge Sklavin mit langen, dunklen Zöpfen wies. Diese erschrak und ihr Gesicht wurde bleich. Sie war eine der Konkubinen des Königs gewesen und nun sollte sie ihren Herrn in eine andere Welt begleiten.
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