Armut

Was so passiert, was mal passiert ist ...

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Doppelgänger
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Beitrag von Doppelgänger »

kleinegemeine01 hat geschrieben:hihi
ich hole mir nun ne Sperre
Doppelgänger, Du bist nen Auspuff-loch

ne, doch nicht, wäre zu schade ständig an Dich zu denken
Siehst du: Ich kann mit anderen Meinungen leben, ohne ausfallend zu werden. Das ist halt der Unterschied.

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revier04
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Beitrag von revier04 »

Doppelgänger hat geschrieben:
Der Tatbestand lautet leider zu oft "keinen Bock". Und ja: Dann sind Sanktionen richtig, da ich niemanden finanzieren will, der sich zum Aufstehen oder Arbeiten zu fein ist.

Davon ab verstehe ich nicht, warum Nichterscheinern und Arbeitsverweigerern ständig an die Seite gesprungen wird. "Es gibt kein Recht auf Faulheit" sagte Schröder - schaut man ins SGB, hat er recht.
Ich denke, Du machst es dir zu einfach. Sicherlich gibt es ALG II Empfänger, die keinen Bock haben und in der sozialen Hängematte liegen. Aber sicher nicht die Mehrheit davon. Selbst Menschen, die nicht faul sind, sind heute teilweise auf ALGII angewiesen, weil ihr Verdienst nicht zum Leben reicht. Dann sollte man sich auch mal Fragen, was wird getan um die Nichterscheiner und Arbeitsverweigerer wieder in Arbeit zu bringen? Vielleicht sind Sanktionen nicht das beste Mittel. Ja sicher steht das in irgendeinem Gesetz, dass das so sein muss. Ich weiss.

Zum Schluss noch eine Frage: Wie viel ALGII Empfänger kennst Du persönlich?

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Minchen
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Beitrag von Minchen »

Ich glaube, das BGE würde jede Menge Probleme mit sich bringen. Ich habe das so verstanden, dass die Idee ist, alle öffentlichen Leistungen abzuschaffen und auch die zugehörigen Behörden (ALG II, ALG I, Kindergeld, Renten, Unterhaltsvorschuss, Wohngeld, Sozialhilfe usw. usf.) und durch eine Summe für jeden (z.B. 1000€) zu ersetzen.

Dann bräuchte man doch wieder zumindest eine Behörde für die Leute, die damit nicht auskommen, also gäbe es wieder sowas wie Aufstocker.
Denn 1000€ sind ja nicht immer und überall ausreichend. Oder gerecht. Wenn z.B. Oma und Opa in München in einer kleinen Wohnung für 1000€ wohnen und dann stirbt ein Partner und die Hälfte des Einkommens fällt weg, aber die Miete bleibt. Oder einer geht ins Heim und der Heimplatz kostet 3000€.

Spannender wäre aber die Frage, welche Auswirkungen das auf die Mentalität der Bevölkerung hätte. Bei uns wird ja traditionell Wert gelegt auf Bildung und Leistung. Wenn der Faktor wegfällt, wie würde sich wohl unsere Gesellschaft entwickeln? Wenn Eltern nicht mehr schuften müssen, um die Kinder durchzubringen, und flüchtige Väter keinen Unterhalt mehr zahlen müssten, weil für alle gesorgt ist? Wenn keiner mehr Maschinenbau studieren würde, sondern stattdessen alle Kunstgeschichte oder Skandinavistik? Und zwar 30 Jahre lang?
Kassandra war doch eine furchtbare Populistin.

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Josel
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Beitrag von Josel »

Minchen hat geschrieben:Wenn keiner mehr Maschinenbau studieren würde, sondern stattdessen alle Kunstgeschichte oder Skandinavistik? Und zwar 30 Jahre lang?
Wenn vor 20 Jahren bereits keiner mehr Maschinenbau studiert hätte, hätten wir jetzt auch keine Dieselskandalautos!!11einself!! Ich weiß also gar nicht, was Du daran negativ fändest. Zumal man ja nicht nur exotische Fächer wie Kunstgeschichte und Skandinavistik, sondern auch Genderwissenschaften studieren kann!!!11!

Aber mal im Ernst: Ich glaube nicht, dass sich die Mentalität so sehr ändern würde. Ich kann mir nicht vorstellen, dass viele ihre beruflichen Pläne aufgäben, weil sie 1000,- bekämen. Und die Erfinder des BGE gehen davon ja auch nicht aus, denn irgendwer muss die achtzig Millionen Tausender ja beim Finanzamt einzahlen.

J.
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Minchen
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Beitrag von Minchen »

Wie jetzt, du nimmst den Genderwissenschaft*innen nicht ernst?! Ich erwäge eine Anzeige wegen Verletzung meiner Gefühl*innen!

:lol: :lol: :lol:
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Josel
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Beitrag von Josel »

Natürlich nehme ich diese Wissenschaft sehr ernst. Zumal ich bei einer bestimmten Person eine zeitlang den Verdacht hatte, sie könnte als Ückendorfer im Körper eines Bueraners geboren worden sein. (Das Thema Transgelsenkirchismus ist übrigens ein wissenschaftlich kaum erschlossenes Feld. Man weiß z.B. bis heute nicht sicher, ob man als Ückendorfer geboren wird oder ob das Ückendorfer-Sein nicht nur ein durch Erziehung herbeigeführtes Sozialkonstrukt ist, das z.B. dadurch tradiert wird, dass die Eltern ihren Nachwuchs schon im zarten Kinderwagenalter durch den von-Wedelstaedt-Park schieben.)

Naja, nun lieber zurück zum - auch wichtigen – Titelthema dieses Threads.

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Pedda Gogik
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Beitrag von Pedda Gogik »

Fast 18 Prozent der Gelsenkirchener sind überschuldet.

radioemscherlippe.de 15.12.2017
(....) Das steht im ruhrgebietsweiten Schuldneratlas des Finanzunternehmens Creditreform. Besonders klamm sind die Menschen in Gelsenkirchen: Dort liegt die Schuldnerquote bei fast 18 Prozent - im Ruhrgebiet ist die Quote nur in Herne noch höher. In Bottrop und im Kreis Recklinghausen mit Gladbeck sind etwas weniger Menschen überschuldet. Laut Creditreform sorgt vor allem Arbeitslosigkeit dafür, dass Menschen ihre Rechnungen nicht mehr bezahlen können. Die Finanzexperten glauben, dass die Schulderzahlen auch in Zukunft weiter steigen.

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rapor
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Beitrag von rapor »

Schon merkwürdig, ich habe in meinem Leben oft wenig Geld gehabt, aber noch nie Schulden.
Dafür reichen doch die Grundrechenarten. Nur soviel ausgeben, wie ich habe.
Ich kaufe nie auf Keife, sondern spare, auch wenn ich wenig habe geht das.
Dabei wäre es eigentlich egal, mein Einkommen liegt unter der Pfändungsgrenze, also könnte ich so richtig auf die K..., äh...zuschlagen.
Naja, kann ich ja später immer noch, da kein anderer für meine Schulden aufkommen müsste.
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Pedda Gogik
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Beitrag von Pedda Gogik »

Alterarsarmut - Immer mehr Rentner bitten um Essen.

tagesschau.de vom21.12.2017:
Immer mehr Rentner sind laut Angaben des Bundesverbandes der Tafeln auf kostenlose Lebensmittel angewiesen. In den vergangenen zehn Jahre habe sich die Zahl demnach verdoppelt. Besonders Frauen seien von Altersarmut betroffen.
Bei den sogenannten Tafeln stehen immer mehr Rentner für kostenloses Essen an. Inzwischen sei fast jeder vierte ihrer Kunden ein Rentner, sagte der Vorsitzende des Bundesverbandes der Tafeln in Deutschland, Jochen Brühl, der "Neuen Osnabrücker Zeitung". 2007 seien gut zwölf Prozent der Bedürftigen Senioren gewesen. Die Zahl der bedürftigen Senioren habe sich binnen zehn Jahren verdoppelt.

Brühl appellierte an die Politik, Armut zu bekämpfen. "Es nützt doch nichts, wenn Politiker in Wahlkampfzeiten unsere Essensausgaben besuchen. Das lehne ich zunehmend ab." Armut sei der Nährboden für das Gefühl abgehängt zu sein und damit letztlich auch "Wegbereiter des Extremismus".

"Altersarmut auf dem Vormarsch"


Ulrike Mascher, Präsidentin des Sozialverbandes VdK Deutschland, sagte der Zeitung, es sei ein Armutszeugnis für Deutschland, dass es die Tafel überhaupt geben müsse. "Wenn 350.000 Senioren regelmäßig darauf angewiesen sind, bei den Tafeln für kostenlose Lebensmittel anzustehen, dann ist das ein deutlich sichtbares Signal dafür, dass die Altersarmut auf dem Vormarsch ist."

Insbesondere Erwerbsminderungsrentner leben nach den Worten von Mascher oft an der Armutsgrenze. Außerdem seien viele Frauen von Altersarmut betroffen. "Für immer mehr Rentner werden auch hohe Mieten ein immer größeres Problem. Der soziale Wohnungsbau muss oberste Priorität haben."

900 Tafeln in Deutschland


Am Jahresende 2016 bezogen dem Sozialverband zufolge 522.492 Personen über der Altersgrenze Leistungen der Grundsicherung im Alter. Ende 2006 hatte diese Zahl demnach noch bei rund 371.000 gelegen. Rechne man auch noch diejenigen hinzu, die als Erwerbsgeminderte auf Grundsicherung angewiesen sind, liege die Zahl der betroffenen Volljährigen bei über einer Million.

Nach Angaben des Bundesverbandes der Tafeln gibt es in Deutschland mehr als 900 Tafeln, die regelmäßig bis zu 1,5 Millionen Menschen mit Lebensmitteln versorgen.
Und alle haben es gewusst. Gerade hier in Gelsenkirchen und dem mittleren Ruhrgebiet dürfte es sich in den nächsten Jahren deutlich verschlimmern. Ich kenne - ausser "Die Linke" - keine Partei, die hier grundlegend etwas verändern will. Es ist anscheinend (noch) nicht relevant. Viele der Betroffenen gehen gar nicht mehr zur Wahl oder wählen aus Protest eine Partei, die nun wirklich kein Interesse daran hat, hier etwas zu ändern, sondern einen Kontext zu Flüchtlingen herstellt, als wäre deren Vertreibung die einzig denkbare Lösung.

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rapor
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Beitrag von rapor »

Könnte ich nicht arbeiten, wäre es für mich auch eng. Da kämen zwar noch ein paar Euronen Grundsicherung zu, aber ein Auto wäre wohl kaum drin mit dem Betrag.
Zum Leben zu wenig, zum Sterben zu viel.

Ich finde es gut, dass es so etwas wie die Tafeln gibt, weil ich gegen die Verschwendung von Lebensmitteln bin und für die Unterstützung von Bedürftigen. Aber, es ist schon eine Schande für unser reiches Land, dass es sie geben muss.
Wiederum, wer braucht zig Sorten Süßkram und Pseudogesundspeisen?
Ich beschränke mich auf Notwendigkeiten, das senkt die Kosten imens und ich kann mir dafürAnderes, nicht leneswichtiges, wie einen guten Whisky, Mobilität und kulturelles leisten, von wenig Geld.
Wenig brauchen, ist für mich eine Form von Freiheit!
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Mücke
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Beitrag von Mücke »

Statt generell 3,09 % Rentenerhöhung wären 50 EUR Erhöhung für jeden Rentner,
unabhängig von der jetzigen Rente, ein Beitrag zu Bekämpfung der Altersarmut.

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rapor
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Beitrag von rapor »

Unser Omma sachte schon:"Der Teufel scheixxt immer auf den grössten Haufen."
Volkstümlich und umgangssprach eine Metapher für die soziale Ungerechtigkeit.
Leider bestätigt sich dies immer wieder.
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Pedda Gogik
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Beitrag von Pedda Gogik »

Armutsregion Ruhrgebiet:Tatsachen, Hintergründe und Lösungsmöglichkeiten

Die Fraktion DIE LINKE im Regionalverband Ruhr hat gerade die Publikation "Armutsregion Ruhrgebiet – Tatsachen, Hintergründe und Lösungsmöglichkeiten" herausgegeben.

Hier geht es zum LESEN und/oder DOWNLOAD der PDF-Datei

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Mechtenbergkraxler
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Situation an den Tafeln

Beitrag von Mechtenbergkraxler »

Holla, wo bleiben denn die üblichen Kommentare zum Geschehen an Essens Tafeln (und anderswo)? Das ist doch das gefundene Fressen überhaupt. Ich versuch´s aber mal sachlich, und vielleicht haben wir ja Konsens: Wenn muselmanische Machomänner oder Fußball-Hooligans oder sonstige A…. löcher sich irgendwo vordrängeln und Oma Otterbein oder die alleinerziehende, sich durchs Leben kämpfende Mutter Meier aus der Tafelschlange verdrängen, dann platzt mir da der Kragen wie wohl den meisten anderen auch. Tafeln sind für Bedürftige, die nicht aus anderen Quellen ausreichend versorgt werden können, und an Tafeln gelten die normalen Benimmregeln. Bei uns hier stellt sich aus genau diesen Gründen der „Bezirkssherif“ zur Tafelausgabe dazu, und Drängeleien und mangelnder Respekt tauchen gar nicht erst auf. Dass eine bestimmte Klientel gut versorgt ist und an der Tafel nichts zu suchen hat, leuchtet mir auf jeden Fall ein. Jedem etwas zu geben, damit der sein Haushaltsgeld für Pferdezocken sparen kann, kann nicht angehen.

Das war der erste Teil, über den es wahrscheinlich Konsens gibt. Der zweite Teil befasst sich mit dem nun schon fast penetranten Bemühen der Mainstream-Presse (Springer & Co. und diverse andere), von den eigentlichen Problemen abzulenken und Ärger auf irgendwelche Underdogs abzuleiten. Kein Wort in der BILD, warum es in einem so reichen Land überhaupt Tafeln gibt. Kein Wort, warum Renten nicht ausreichend sind trotz jahrzehntelanger Arbeit. Kein Wort, warum bei Alleinerziehenden nicht mit aller Macht Unterhalt bei den – oftmals gut verdienenden - Ex-Partnern eingetrieben wird. Nein, die Mainstream-Presse, die einem in jedem Supermarkt, an jedem Kiosk, bei jedem Bäcker entgegen leuchtet, legt es auf eine völlige Verblödung der Bevölkerung an. Dass aus der „Bestie von Beckhausen“ drei Tage später ein zu Unrecht verhafteter Mensch wird, stört dann nicht. Der „Bestie“ haben zwischenzeitlich Schlechtmenschen aufgelauert und ihn krankenhausreif geschlagen. Das ist mir mal eben zum Thema „Tafel und Mainstream“ eingefallen.

MK
"Der Optimist hat nicht weniger oft unrecht als der Pessimist, aber er lebt froher." (Charlie Rivel, Clown)

Troy
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Beitrag von Troy »

Ja, dazu kann ruhig mehr geschrieben werden.

Vorher kann man aber darüber nachdenken, WELCHEN Teil unseres gesellschaftlichen Zustandes diese Diskussion aktuell aufdeckt.

Dazu liest sich bei Wiki unter dem Stichwort "Tafel" und dann unter "Kritik" z.B. das hier:

„Erlernte Hilflosigkeit“ und „identitätsstiftende Hilfsbereitschaft“

Ein grundsätzliches Problem besteht darin, dass viele Kunden einer Tafel Opfer einer erlernten Hilflosigkeit geworden sind und nur meinen, sie könnten sich nicht selbst helfen. Mit richtigen Formen der Hilfe, die Arbeitsfähige ermutigen würde, sich selbst aus ihrer Bedürftigkeit zu befreien, könnte der Opfer-Status dieser Kunden beendet werden. Stattdessen verringert das Angebot von Tafeln ihren Leidensdruck. Wolfgang Hintes Erkenntnis, dass im Arbeitsfeld „Sozialarbeit“ Berufstätige oft einen Hang dazu hätten, Hilfsbereitschaft zu einem Teil ihrer Identität zu machen,[44] lässt sich auf ähnlich psychisch strukturierte ehrenamtlich Tätige in Tafeln übertragen. Das Verhalten von Helfern in Tafeln weist durchaus gelegentlich Ähnlichkeiten mit dem von Co-Abhängigen auf, die dem Abhängigen, zu dem sie in einer persönlichen Beziehung stehen, eher schaden als nutzen.

Hinte warnt: „Wer […], fixiert auf eine durchaus zutreffende Analyse sozialer Probleme und daraus folgende sozialpolitische Forderungen nach besseren Bedingungen für die Befriedigung von Bedürfnissen, in naiver Weise daraus ein Handlungsmandat für Betreuung und Befriedigung von Wünschen ableitet, wird allzu leicht Opfer einer durchaus klug agierenden Klientenschaft, die diese Hilfsbereitschaft in pfiffiger Weise für sich zu nutzen weiß.“
Es gibt noch mehr und andere lesenswerte Aspekte in dem Teil über Kritik an den Tafeln.

Nun muss man wissen, dass der zitierte Wolfgang Hinte bereits Ende der 1970'er Jahre in Essen an der damaligen GH bereits solche Themen im Rahmen seiner Seminare und Vorlesungen im Bereich "Gemeinwesenarbeit" beackert hat mit den Studis.

War es nicht bereits bei Einführung der Tafel in D im Jahre 1993 abzusehen, dass sich ein amerikanischer Import (City Harvest/USA war das Vorbild) auf das bundesdeutsche Sozialsystem nicht so einfach übertragen lässt? Da war unsere gemeinsame BRD noch in den Kinderschuhen, aber es gab schon Verdrängungsprozesse. Wir hatten Gastarbeiter, die Spätaussiedler und Kontingentlüchtlinge und dann auch die ersten DDR-Flüchtlinge und die sog. Übersiedler verpackt. Fluchtursachen im Nahen Osten gab es nach wie vor, der Kosovo-Krieg etc. brachte stets weitere Menschen ins Land wie z.B. aus Afrika, Afghanistan.

Die Aktion in Essen ist für mich nichts weiter als ein Hinweis darauf, wohin m.E. falsch verstandene Selbstverständlichkeiten führen können: nämlich zu Beißereien an den Fresströgen.
Organisiert von Sozialmechanikern vom Schlage "Ich hab's ja nur gut gemeint", öffentlich angeprangert von hauptberuflichen Sichaufregern und beklatscht von kriegsgewinnlerischen Allgemeinzynikern.

Und wenn jetzt das Bild vom "alten Mütterchen" hochgehalten wird, dann muss ich brechen.

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