Gastarbeiter in Gelsenkirchen

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Jazzam
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Beitrag von Jazzam »

A: Und Ihr wart immer noch in A.?

Wir waren immer noch in A. und ich arbeitete allein und er hat sich gelangweilt. Dauernd war der immer schlecht drauf: „Ich kann nicht arbeiten, ich will wieder zurück. Ich will hier weg, wenigstens habe ich da meine Arbeit. So geht das doch nicht weiter, Du arbeitest, ich laufe herum.“ Dann hat sein Z. ihm so eine Arbeit verschafft. In einem Restaurant hat er in der Küche gearbeitet. Hauptsache, er war beschäftigt.

A: Aber das war nicht der Traum, den Ihr hattet.

Nein. Aber ich war glücklich, weil ich frei war. Ich war frei. Das war für mich, das kann ich nicht erklären, als ob ich einen Millionär, als ob ich einen reichen Mann geheiratet hätte. Ich war frei und das war wichtig für mich. Und das war ein ganz tolles Gefühl, ganz tolles Gefühl.

A: Trotzdem es Euch wirtschaftlich nicht gut ging und er schlechte Laune hatte.

Aber ich habe mich glücklich gefühlt. Als ich gearbeitet habe und nach ein paar Monaten schwanger wurde und dann bis zum Beginn des Mutterschutzes gearbeitet und das Kind in A. bekommen habe, hatte ich Sorgen.

A: Wann war das?

1980 ist R. geboren.
Meine Sorge war, was mache ich denn, wenn das Kind geboren ist? Er arbeitet nicht richtig und wenn ich dann nicht mehr arbeiten kann – wie sollen wir leben? Wie soll das weitergehen?

Dann kam mein Mann mich immer von der Arbeit abholen, wenn ich Feierabend hatte, war ja nicht weit nach Hause, er kam immer zu Fuß und dann sind wir auch zu Fuß wieder zurückgegangen. Da sagte er, er hatte eine türkische Zeitung in der Hand:
„Weisst Du was, es gibt ein neues Gesetz, junge Leute, die jetzt Kinder bekommen, die dürfen, wenn die Frau wegen der Kindeserziehung nicht mehr arbeiten kann, ihr Arbeitsrecht dem Mann übertragen."

Und so war das auch. Dann ist das Kind auf die Welt gekommen und dann kannten wir aus unserem Dorf noch jemand, der in Buer auf der Zeche Hugo arbeitete, der hat zu ihm gesagt: „Weisst Du was, was willst Du dir in A. für eine Arbeit suchen? Du wirst eh nicht viel mehr verdienen. Komm doch nach Gelsenkirchen – Buer, wo ich arbeite und fang unter Tage an, auf der Zeche, dann verdienst Du richtig gutes Geld.“

Der hat das gehört und wollte nur noch dahin. Und dann sind wir immer von A. mit dem Auto seines Z. nach hier gefahren, Papierkram erledigen und das und dies, dann hat ihm sein Kollege auch geholfen, dass er da angenommen wird. Dann wurde mein Mann da angenommen, konnte arbeiten und dann haben wir eine Wohnung gesucht und kamen nach Buer.
Fortsetzung folgt.

@Cameleon: Danke für Dein Feedback. Wobei "toll" an dieser Stelle ein bißchen schwierig ist.....

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zuzu
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Beitrag von zuzu »

Aber wer sind die Z, B, H, D usw...??? Es irritiert mich! Wäre es nicht einfacher Tante oder Cousine oder Freund oder was auch immer zu schreiben?
Zuzu

Jazzam
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Beitrag von Jazzam »

Ja, es ist nicht so lesefreundlich.
Vielleicht als Hinweis: sie hat trotz Angst vor den Reaktionen ihrer Familie einer Veröffentlichung zugestimmt. Das relativiert die Leseunfreundlichkeit vielleicht ein wenig.

Jazzam
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Beitrag von Jazzam »

Abschlussinterview 03.06.2011

A: Wie war das Leben für Euch ab 1980 im Ruhrgebiet?

Ich habe ja erzählt, dass R. 1980 geboren wurde und wir dann von A. aus hierhin gekommen sind, weil wir hier Bekannte aus der Türkei aus demselben Dorf hatten, die meinem Mann behilflich waren, auf der Zeche Arbeit zu finden. Die beiden haben erst versucht, seine Papiere fertig zu machen und dann stand der Tag fest, wann er anfangen sollte und dann sind wir auch hierhin gekommen und haben dann vorläufig bei dem Bekannten mitgewohnt, bis wir eine andere Wohnung für uns hatten.

Ungefähr zwei Monate haben wir alle zusammen gewohnt und dann habe ich in der Zeitung nach einer Wohnung gesucht und habe dann eine gefunden und dann sind wir ausgezogen. Da fing mein Mann an, auf der Zeche als Bergmann zu arbeiten. In der Türkei hatte er einen ganz anderen Beruf, den er hier nur hätte machen können, wenn er gut Deutsch gesprochen hätte und die deutsche Staatsangehörigkeit besessen hätte. Und das alles war nicht vorhanden und bis das alles passiert wäre, hätte das zu lange gedauert. Er musste arbeiten, er war auch froh, dass er Arbeit hatte, weil das Zuhausesitzen nichts für ihn war.

Ja, dann hat er angefangen und ich war mit R. beschäftigt und dann habe ich auch irgendwann, als er gearbeitet hat, einen kleinen Nebenjob für mich gefunden. Da ist in Buer eine Pommesbude gewesen, die hatte gerade neu eröffnet und dann habe ich angefangen, für ein paar Stunden, wenn mein Mann zuhause bei R. war, für vier, fünf Stunden zu arbeiten.
Mit dieser Frau bin ich heute noch befreundet, sie ist jetzt leider für immer nach Z. gegangen. Aber wenn sie hierhin kommt, besucht sie mich jedes Mal. So war das. Über 30 Jahre kennen wir uns schon. Und da habe ich bei ihr gearbeitet und wir haben uns dann immer so gut verstanden und es war auch nah zu unserer Wohnung und dann habe ich auch nebenbei ein bißchen dazu verdient.

A: Dein Mann war Bergmann, wie muss ich mir den Alltag vorstellen?

Er hat immer (davon) erzählt und ich konnte mir das nicht vorstellen, wie das so ist. Ich habe das einmal im Fernsehen gesehen und da hätte ich fast geweint, so schwarz wie die sind, dass man sie kaum erkennen kann. Dann hat er erzählt: „Wir arbeiten so hoch wie unterm Tisch und dann tat er mir immer so leid, wenn er arbeiten musste, dass er so eine körperlich schwere Arbeit hatte.

A: Er hat dann bestimmt auch entsprechend viel gegessen.

Ja, ich habe auch immer dafür gesorgt, dass ich gekocht habe. Wenn er von der Arbeit kam, war das Essen immer fertig, er hat immer warmes Essen gehabt. Wenn er müde war, hat er sich hingelegt und an den Tagen, an denen ich arbeiten musste, hat er auf R. aufgepasst. Ich konnte mir auch die Zeit aussuchen, wann ich arbeiten wollte, ob ich fünf Stunden oder ob ich drei Stunden bleibe, je nachdem, wir er sich fühlte und dann bin ich auch ein bißchen eher nach Hause gegangen.

A: Hattet Ihr auch Kontakt zu Deutschen?

Wir waren erst neu in Gelsenkirchen. In dem Moment kannte ich keine, nur die Freundin durch die Arbeit im Restaurant.
Die Wohnung, in der wir wohnten, war nur für kurze Zeit angedacht, es war eine möblierte Wohnung, nur zwei Zimmer, die Toilette war im Treppenhaus und da haben wir nicht lange drin gewohnt, ungefähr ein Jahr. Dann haben wir eine neue Wohnung gesucht und sind dann ausgezogen. Wir sind nach Hassel gezogen, da hatten wir eine zweieinhalb Zimmer Wohnung, die war auch klein.

Ich habe dann in der Zeitung annonciert, dass ich jemanden für R. zum Aufpassen suche, weil ich dann gezwungen war, ein bißchen mehr zu arbeiten, da wir in der Türkei etwas gekauft hatten. Die Frau, die auf R. aufgepasst hat, war eine Deutsche. Es stellte sich dann auch heraus, dass sie mit einem Türken verheiratet war. Er war Arzt und hatte im Marienhospital in Altenessen gearbeitet. Wir haben uns dann auch mit ihnen angefreundet, aber sie sind dann auch irgendwann zurückgegangen. Er hat die deutsche Frau mit in die Türkei genommen. Sie hatte zwei Töchter mit ihrem ersten Mann und die Töchter haben sie mitgenommen und die leben heute noch in der Türkei. Das sind auch fast dreißig Jahre her.

Als R. vier Jahre alt war, war ich schwanger mit T. und da sagte mein Mann schon: „Ein Kind reicht doch. Was willst Du mit einem zweiten? Treib das ab! Ich will kein Kind mehr.“ Ich habe gesagt: „Ich lass das Kind nicht wegmachen. Wir haben nur ein Kind, wir haben doch nicht zehn Kinder, dass es jetzt zuviel wäre. Warum soll R. alleine auf der Welt sein? Vielleicht bekommt R. einen Bruder oder eine Schwester, dann sind sie zu zweit. Ich lass das nicht abtreiben.“

Gegen mich kam er dann nicht an und dann kam das Kind irgendwann auf die Welt und dann hatten wir zwei Kinder.
Fortsetzung folgt

Jazzam
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Beitrag von Jazzam »

A: Ist R. denn mal in den Kindergarten gegangen?

Ja, R. kam mit dreieinhalb in den Kindergarten und das war ein sehr aufgewecktes Kind.
Wir sind nach Scholven gezogen, weil das zweite Kind unterwegs war und die Wohnung wieder zu klein war. Ich habe meinem Mann von Anfang an gesagt: „Lass uns eine vernünftige Wohnung beziehen, wo wir nicht andauernd ausziehen müssen.“ Wir sind dann in eine dreieinhalb Zimmer Wohnung in Scholven gezogen und da ist R. auch in den Kindergarten gekommen. Der Kindergarten war direkt um die Ecke und ein paar Mal habe ich R. dann hingebracht und dann sagte R.: „Ich kann schon alleine gehen, ich bin schon groß.“ Und dann wollte R. immer allein gehen. Dann habe ich R. immer vorgeschickt und bin hinterher gegangen, damit nichts passiert. Ich hatte irgendwie Angst, R. war ja noch sehr klein. Ich habe dann irgendwann erklärt: „Du kannst noch nicht alleine gehen, erst wenn Du in die Schule gehst. Alle Kinder kommen mit ihren Müttern. Es kann Dir was passieren, ein Auto kann Dich überfahren, es kann Dir was Schlechtes passieren.“
R. war dann immer neugierig: „Was denn, was kann mir denn passieren?“ Da musste ich R. dann aufklären, was passieren könnte.

A: Welche Sprache habt Ihr zuhause gesprochen?

Wir haben leider immer Türkisch gesprochen. Mein Mann konnte noch kein Deutsch, aber trotzdem hätten wir Deutsch sprechen können. Aber wir haben immer Türkisch gesprochen, (das) geht einfacher und schneller.

A: Deine Kinder können aber mit Sicherheit Deutsch.

Mit den Kindern habe ich Deutsch gesprochen, ich weiß auch nicht warum. Ich habe beide Sprachen mit denen gesprochen. Und R. spricht heute noch mit mir Deutsch, wenn R. mich anruft und T. spricht auch immer mit mir Deutsch, selten Türkisch, aber sie mischen schon mal Türkisch mit dazwischen. R. spricht Türkisch mit Akzent.

A: Um auf das Interview vom letzten Mal zurückzukommen. Da hatte Dein Verwandter gesagt, Ihr solltet mal Euer Glück hier versuchen. Wie war es damit?

Im Großen und Ganzen war es so. Wenn er keine Arbeit gehabt hätte, wären wir wahrscheinlich zurückgegangen. Aber 1979 ging das noch mit der Arbeit, da war es nicht so schlimm wie heute. Wo er dann Arbeit und wir eine Wohnung hatten, ging es langsam bergauf. Die Kinder sind zur Schule gekommen, ich habe mal zwischendurch aufgehört zu arbeiten, wenn ich zu müde war, wenn ich gemerkt habe, dass es mir zuviel wurde mit Arbeit und Kindern, habe ich dann ab und zu mal Pause gemacht. Dann habe ich dann wieder gearbeitet.

A: Wie war denn damals das Leben in Gelsenkirchen? Ich kenne es nur aus den Ferien, die ich hier als Kind bei meinen Großeltern verbracht habe. Es war doch noch viel Dreck und wenig Grün und diese Kokerei – Gerüche...

Ich komme ja auch aus X., meine Eltern sind ja da gewesen. Ich war damals noch jung und ich habe nicht so darauf geachtet, ob es schön und grün war oder nicht. Ich war froh, dass es uns soweit gut ging, dass er Arbeit hatte und dass wir eine Wohnung hatten und dass das Leben so langsam seinen Lauf hatte. Alles andere war ok. Heute denke ich, wäre ich mal in A. geblieben, A. ist schöner, aber in dem Moment ging es nicht. Er hatte das Angebot, hier auf der Zeche anzufangen und dann wollte er auch sofort.

A: Wie lange hat er dann hier gearbeitet?

Auf der Zeche hat er zehn Jahre gearbeitet, bis 1990.

A: Hat man da gut verdient?

Besser als wenn er ungelernt irgendwo in einer Fabrik gearbeitet hätte, auf der Zeche hat er mehr verdient.

A: Hattet Ihr besondere Schwierigkeiten, weil ihr Türken wart?

Überhaupt nicht. Ich habe von Anfang an bis heute nie Schwierigkeiten mit Deutschen gehabt. Ich habe mich immer gut verstanden und überall wo ich hinkam, sei es jetzt Arbeitsamt oder Rathaus, wenn es um Papierkram ging, waren sie immer sehr nett und haben geholfen. Irgendwie hat alles immer gut geklappt. Und mit den deutschen Freunden haben wir uns gut verstanden.
Es gibt einen Kulturunterschied, das kann man eben nicht ändern. Ich kann jetzt nicht komplett Deutsch sein und der andere nicht Türkisch. Wenn jetzt in der Türkei Deutsche leben, können sie sich ja auch nicht total anpassen, so dass sie wie Türken sind.
Natürlich passt man sich an, an einigen Stellen. Man kann nicht verlangen, dass zum Beispiel Feste wie Weihnachten nicht mehr gefeiert werden. Jeder hat seine eigene Kultur.
Fortsetzung folgt

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Krevert
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Beitrag von Krevert »

Jazzam hat geschrieben:Vielleicht als Hinweis: sie hat trotz Angst vor den Reaktionen ihrer Familie einer Veröffentlichung zugestimmt.
Eine Aussage, die man leicht übersieht, die aber für die Qualität der Interviewerin spricht!
Suche älteres Schalke-Material, RTL-Fotos und Hobbyzeichner. www.peter-krevert.de

Jazzam
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Beitrag von Jazzam »

A: Bist Du ein Sonderfall unter Deinen Landsleuten, dass Du besser klar kommst?

Ich weiß es nicht. Ich habe zum Beispiel bis heute kein türkisches Fernsehen. Ich will auch nicht. Ich lege da keinen Wert drauf. Ich habe auch überhaupt keinen türkischen Kanal. Als ich früher Kabelfernsehen hatte, gab es TRT, ein türkisches Programm. Als es dann kein Kabelfernsehen mehr gab, habe ich mir gedacht: „Ich gucke sowieso nicht viel Fernsehen, bei dem bißchen, was ich gucke, kann ich auch das Kabelfernsehen abmelden. Nur die normale Antenne und dann gucke ich, was da ist. Ich muss nicht zigtausend Programme haben.“ Ich habe auch keinen Satellitenanschluss gemacht, weil ich die türkischen Programme gar nicht haben will. Wenn ich das heute einem Türken erzähle, denken die, ich lebe auf oder komme vom Mond. „Wie kommt das, dass ich keinen türkischen Satelliten habe!“

A: Das ist also bei den Türken Standard?

Standard. Das muss sein. Und wie kann es sein, dass ich es nicht habe!

A: Was erklärst Du denen dann?

Ich sage, ich lege da keinen Wert drauf. Ich komme gut klar mit dem deutschen Fernsehen. Ich gucke Nachrichten. Wenn ein schöner Film kommt – ich gucke gerne deutsche Filme, die neuen deutschen Filme, nicht die alten – dann mache ich alles andere aus und guck nur diesen deutschen Film.
Als X. (Familienangehörige) nach Deutschland kam, war X. auch nicht heiß auf türkisches Fernsehen. X. war sehr ehrgeizig und wollte Deutsch lernen. Ich hatte kurz mit dem Gedanken gespielt, einen Satellit anzuschaffen, aber dann habe ich zu X. gesagt, dass man ohne besser Deutsch lernt. „Du hast Recht“, hat X. da gesagt: „Wenn ich jetzt hier deutsches Fernsehen gucke, dann frage ich Dich schon mal, was sagen die, was war dieses Wort, was bedeutet das?“ Und das bleibt dann im Kopf hängen.
Dann habe ich zu X. gesagt: „Irgendwann machen wir das, aber jetzt noch nicht.“ Und jetzt haben wir beide keine Lust mehr dazu. X. versteht jetzt, was da gesprochen wird. Jetzt fragt X. mich auch nicht mehr so viel, was die gesagt haben. Sehr selten (nur noch).

A: Ich finde schon, dass Du etwas Besonderes machst, dass Du X. begleitest. Du begleitest X. beim Spracherwerb, lässt X. teilnehmen, begleitest zur Kultur.

Danke. „Weißt Du“, habe ich zu X. gesagt, „ich habe eine Freundin, die lebt 25 Jahre in Deutschland, die ist geschieden von ihrem Mann und hat einen kleinen zwölfjährigen Jungen. Wenn ich zu ihr ging, saß sie frühmorgens schon mit ihrem Tee und ihrem Frühstück vor dem Fernseher.“

Ich sage: „Du hast ja mit der Welt überhaupt nichts mehr zu tun. Warum guckst Du nicht deutsch, Du kannst kein Deutsch!“. „Ach doch, das reicht mir.“ Ich sage: „Was reicht Dir denn?“ Wenn wir irgendwo hingehen, verstehst Du immer das Gegenteil von dem, was gesagt wird. Wenn Du deutsches Fernsehen gucken würdest, würdest Du besser vorankommen, ein paar Worte würdest Du immer dazulernen.“ „Nein, ich würde sterben ohne türkisches Fernsehen. Ich kann Dich nicht verstehen, warum Du das nicht hast.“

Und wenn sie zu mir zu Besuch kam, hat sie immer auf die Uhr geguckt. Ich frage: „Was hast Du?“ „Ja, mein Film fängt gleich an.“ Ich sage: “Wenn Du zu mir kommst, dann vergiss bitte für einen Tag Deinen Film. Du guckst schon genug jeden Tag.“ Wenn ich dann so geschimpft habe, hat sie ihr Fernsehen für einen Tag gelassen, aber sie kam schon nicht gerne, weil sie sich von ihrem Film trennen musste. Sie hat dann immer gesagt: „Komm Du zu mir.“ Ich habe dann aber zu ihr gesagt: „Komm wir gehen jetzt raus, draußen ist es schön, wir gehen spazieren und bewegen uns ein bißchen.“ Dann ist sie immer mitgekommen. Aber wenn sie allein war, saß sie immer davor. Mein Y. hat das auch gemacht und die gucken jeden Tag türkisch. Ok, mein Y. spricht fließend (Deutsch), die Z., die Kinder, alle, aber trotzdem.

Ich habe mal gesagt: „ Wisst Ihr was, wenn in Deutschland in den Nachrichten käme, es ist Krieg oder (es ist) irgendwas Schlimmes passiert, wie „Leute macht Eure Fenster zu, geht nicht mehr raus“, würdet Ihr das gar nicht mitkriegen, Ihr guckt nur fanatisch Eure türkischen Filme.“

Ich mag es auch nicht, morgens nach dem Aufstehen sofort das Fernsehen anzumachen. Ich höre dann lieber Radio in der Küche und höre, was so auf der Welt passiert und kann dabei meine Arbeit machen, mein Frühstück machen und abends, wenn ich wie jetzt von hier weg gehe, gucke ich ein bißchen Fernsehen, gucke Nachrichten, das Wetter, wenn es einen Film gibt, gucke ich den und dann gehe ich spätestens halb elf, elf Uhr schlafen, weil ich morgens um sechs Uhr aufstehe.
Fortsetzung folgt

Jazzam
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Beitrag von Jazzam »

Abschließende Fragen
A: Was gibt Dir im Leben Kraft?

Was gibt mir im Leben Kraft? Mir gibt im Leben Kraft, dass ich gesund bin. Dass ich meine, dass ich selbstbewusst bin und meine Sachen alle alleine erledigen kann. Meine Kinder geben mir Kraft. X. gibt mir auch Kraft und meine Freunde geben mir Kraft. So wie Du jetzt, dass wir uns hier getroffen haben und sprechen und dass ich immer neue Leute kennen lerne. Das alles gehört mit dazu.

A: Welche Vorstellung von Deiner Zukunft hast Du?

Was soll ich mir wünschen? Ich wünsche mir nur, dass ich in Zukunft weiter gesund bleibe, das ist sehr sehr wichtig und dass alles weiterhin so klappt wie bisher. Dass meine Kinder mit ihren Partnern glücklich sind und das ist Glück für mich.

A: Du brauchst also nichts anderes mehr?

Ich bin zu müde dafür. Ich war sehr ehrgeizig, ich habe sehr viel gearbeitet, ich habe sehr viel gekämpft, ich habe immer versucht, dass wir zu irgendwas kommen, zu irgendeinem Ziel, irgendwann soviel haben, dass wir dann zurückgehen und in unserem Haus am Meer leben und glücklich sind.

Das alles hat nicht geklappt. Da sind immer Steine in den Weg gekommen, je nachdem, was auch immer und jetzt habe ich keine Lust mehr. Meine Lust ist weg, ich bin zu müde zum Kämpfen oder immer mehr haben zu wollen. Ich will nicht mehr.
Ich bin jetzt auch mit wenig zufrieden. Ich bin Gott dankbar, wenn ich gesund bin. Wenn ich gesund bin, wenn ich soviel zu essen habe, so viel Geld habe, dass ich alles bezahlen kann und dass ich niemandem etwas schulde. Das ist Glück für mich. Mehr will ich nicht.

Träume, vorhin habe ich Dir gesagt, ich habe keine Träume, aber ob das ein Traum oder ein Wunsch ist, das ist irgendwie ein Plan für meine Zukunft -
Ich will nur eins, gesund sein und irgendwann in zehn Jahren in die Türkei zurück. Ich möchte dann da leben.

A: Musst Du dafür noch irgendetwas in den nächsten zehn Jahren tun?

Nein, weil mein Vater mir eine Wohnung gibt, dann brauche ich die nur einrichten und zum Einrichten habe ich meine Möbel hier, die kann ich dann mitnehmen und dann da in Ruhe leben.

A: Bist Du dann alleine da?

Nein, ich möchte, dass die Kinder mitkommen, also X. und T. und die möchten auch mitkommen.

A: Dankeschön!

Bitteschön!
Damit ist das Interview, das Teil eines interkulturellen Projektes war, beendet.

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brucki
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Beitrag von brucki »

Arbeitsagentur hat geschrieben:Arbeitserlaubnis für bulgarische und rumänische Staatsangehörige unter bestimmten Bedingungen ab 1. Januar nicht mehr nötig

Für bulgarische und rumänische Staatsangehörige entfällt zum 1. Januar 2012 in folgenden Bereichen die Arbeitserlaubnispflicht:

- Fachkräfte mit Hochschulabschluss bei entsprechend qualifizierter Beschäftigung
- die Aufnahme betrieblicher Ausbildungen
- Saisonbeschäftigungen.

Außerdem wird bei bulgarischen und rumänischen Staatsangehörigen, die eine Beschäftigung in Ausbildungsberufen annehmen, die Vorrangprüfung ausgesetzt. Es wird damit nicht zuerst geprüft, ob es für eine Stelle einen inländischen Arbeitssuchenden gibt.
aus http://www.arbeitsagentur.de/nn_473570/ ... enien.html

In den letzten Tagen sehe ich (in Ückendorf) vermehrt Fahrzeuge aus Rumänien und Bulgarien aus denen vermutlich entsprechende Landsleute aussteigen und wo einziehen.

Wer weiß mehr?

Feldmarkmafia
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Beitrag von Feldmarkmafia »

[Ironie]Es wird damit nicht zuerst geprüft, ob es für eine Stelle einen inländischen Arbeitssuchenden gibt. [/Ironie]

Da kann Ich leider nicht anders,als zu versuchen es Ironisch zu sehen.

Genau sowas brauchen wir.

Ich kenne genug junge Leute,die händeringend einen Ausbildungsplatz oder eine Beschäftigung in der Gastronomie suchen,alle aus meinem Bekanntheitskreis.
Da gibts vom Jobcenter nur Achselzucken oder ein schönes Bewerbungstraining.

Lächerlich das ganze,einfach nur lächerlich.

Immer her mit den Leuten,wir haben Platz und Arbeit ohne Ende.
Die Quittung dafür wird kommen,soviel ist sicher.

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blockka04
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Beitrag von blockka04 »

Natürlich ist es immer einfacher, pauschale abgedroschene Argumente zu liefern anstatt sich mal ein bisschen umzusehen (und vielleicht auch mal über den Tellerrand hinauszuschauen, ging ja schließlich um Gastronomie, oder?)

http://bildungsklick.de/pm/88134/dihk-f ... -regionen/

Und nun wieder zurück zu Bruckis ursprünglicher Frage!
Selbstverständlich klauen Dir Ausländer Deinen Job! Aber wenn Dir jemand ohne Geld, Kontakte und Sprachkenntnisse Deinen Job wegnehmen kann, bist Du vielleicht einfach nur Scheiße!“ Louis C.K.
Que hora son mi corazon! (Manu Chao)

TheoLessnich
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Beitrag von TheoLessnich »

Todschlagargumente wie "pauschal und abgedroschen" sind selbst schon lange abgedroschen. Und der über den Tellerrand guckende Kosmopolit, frisst der ungesehen Dreck von seinem Teller?

Feldmarkmafia
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Beitrag von Feldmarkmafia »

blockka04 hat geschrieben:Natürlich ist es immer einfacher, pauschale abgedroschene Argumente zu liefern anstatt sich mal ein bisschen umzusehen (und vielleicht auch mal über den Tellerrand hinauszuschauen, ging ja schließlich um Gastronomie, oder?)

http://bildungsklick.de/pm/88134/dihk-f ... -regionen/

Und nun wieder zurück zu Bruckis ursprünglicher Frage!
Pauschal und abgedroschen??
65 Bewerbungen innerhalb weniger Wochen,davon 15 Absagen und der Rest ohne irgenteine Antwort nenn Ich nicht pauschal und abgedroschen,sondern eine von mir gemachte Erfahrung was meinen Sohn betrifft,trotz guten Realschulabschluss.


Sorry,aber wir machen hier eine andere Erfahrung.Unser "Tellerrand"hat leider Zacken und scharfe Kanten,deshalb schenk Ich mir momentan das darüberhinausgaffen.

***Und nun wieder zurück zu Bruckis ursprünglicher Frage!***

Na,dann gib mal brav Antwort,darauf haste ja bestimmt auch was auf Pfanne.....

TheoLessnich hat geschrieben:Todschlagargumente wie "pauschal und abgedroschen" sind selbst schon lange abgedroschen. Und der über den Tellerrand guckende Kosmopolit, frisst der ungesehen Dreck von seinem Teller?
;D :up:

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Benzin-Depot
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Beitrag von Benzin-Depot »

TheoLessnich hat geschrieben:Todschlagargumente wie "pauschal und abgedroschen" sind selbst schon lange abgedroschen. Und der über den Tellerrand guckende Kosmopolit, frisst der ungesehen Dreck von seinem Teller?
außerdem gilt:
abgedroschenes Sprichwort hat geschrieben:"D Kärch isch erscht aus wemmr ufhärt zu singa"
gelle? :P
„Die Menschen", sagte der Fuchs, „die haben Gewehre und schießen. Das ist sehr lästig.“
(Antoine de Saint-Exupéry / aus "Der kleine Prinz")

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Benzin-Depot
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Beitrag von Benzin-Depot »

Feldmarkmafia hat geschrieben:Immer her mit den Leuten,wir haben Platz und Arbeit ohne Ende.
Die Quittung dafür wird kommen,soviel ist sicher(...)
Feldmarkmafia hat geschrieben: (...) 65 Bewerbungen innerhalb weniger Wochen ,davon 15 Absagen (...)
und schwupps, schon hat man die Schuldigen ausgemacht. :roll:
„Die Menschen", sagte der Fuchs, „die haben Gewehre und schießen. Das ist sehr lästig.“
(Antoine de Saint-Exupéry / aus "Der kleine Prinz")

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