Ströppken hat geschrieben: ↑23.01.2024, 20:33
Wenn man das alles wußte, dann muß man sich fragen, warum die Gastarbeiter-Verträge überhaupt zustande gekommen sind - nach Ende der 1950er Jahre.
Und man muß sich natürlich auch fragen, ob die "Staatsbürger" nicht alle ins Bockshorn gejagt wurden...
Das was Du hier geschrieben hast, ist richtig. Ich habe das konkret erlebt. 1958 habe ich eine kaufmännische Lehre bei der Rheinelbe Bergbau AG begonnen und habe in den ersten vier Wochen in der Markenkontrolle der Schachtanlage Zollverein 3/10 in Essen-Schonebeck als Lehrling angefangen. Nach den ersten zwei Wochen durfte ich bereits an die Kumpel die Kontrollmarken ausgegeben und nur, wenn die Schlange allzu lang wurde, bekam ich Unterstützung. Auf diese Weise habe ich sehr viele Kumpel kennengelernt, die, wenn sie recht früh ankamen, das eine oder andere Wort mit mir wechselten. Ich konnte dabei feststellen, dass die Kumpel aus vielen Gegenden Deutschlands stammten, besonders auch aus Bayern. Viele Lehrlingsheime wurden in dieser Zeit gebaut bzw. genutzt. Es galt, Personal zu finden, zu halten und auszubilden.
Aber das reichte bei weitem nicht, zumal auch andere Branchen in der Bundesrepublik händeringend nach Arbeitskräften suchten. Hinzu kam, dass aufgrund der Mangellage die Forderungen der Gewerkschaften nach höheren Löhnen (im Bergbau hieß es sogar: Spitzenlöhne für die Bergarbeiter) sehr sehr hoch waren und nach Meinung der Arbeitgeber zu Verlusten von Unternehmen führen würde. Mit anderen Worten: die Mitarbeiter, besonders aber die Kumpel im Bergbau fühlten sich sehr stark und die Gewerkschaften spielten eine starke Rolle, wie man sie sich heute gar nicht mehr vorstellen kann.
Die CDU und die CSU hatten zu jener Zeit die Mehrheit und mit Wirtschaftsminister Erhard sah man die Notwendigkeit, den Arbeitsmarkt zu entspannen und die Wirtschaft weiter hochzufahren.
Aus diesem Grunde wurde ohne Unterlass davon gesprochen, dass die Arbeitnehmer aus Italien, Spanien, Portugal und später der Türkei, Südkorea, usw. nur vorübergehend hier arbeiten würden. Dabei kam den deutschen Unternehmen der Umstand zu Hilfe, dass diese Arbeiter selbst sagten, sie wollten nur für eine kurze Zeit in Deutschland arbeiten und dann wieder in ihre Heimatländer zurückkehren. Aber kein Unternehmen wollte das: ausgebildete bzw. angelernte Arbeitnehmer sind ein besonderes Gut und sind nicht einfach austauschbar.
Weder Politiker noch die Bevölkerung haben zu jener Zeit bedacht, dass ein vorübergehender Aufenthalt dieser Menschen gar keine Lösung für das Land haben konnte, denn das Hauptproblem waren die im Zweiten Weltkrieg verlorenen Millionen Soldaten in ihren besten Jahren, die die Bevölkerungsstruktur völlig durcheinander gebracht haben. Von den Kriegsschäden durch Bomben, usw. will ich erst gar nicht reden.
Tatsache ist, dass ohne diese ausländischen Mitbürger die Bundesrepublik Deutschland bereits Mitte der sechziger Jahre wirtschaftlich ohne wirkliche Zukunft gewesen wäre. In diesem Zusammenhang kann man die konjunkturellen Schwankungen Ende der sechziger und Anfang der siebziger Jahre durchaus vernachlässigen.
Wenn ich Politikern, gewerkschaftlichen Kräften, interessierten Beobachter keine bösen Absichten unterstelle, muss ich doch feststellen, dass das Hauptproblem in dieser und den meisten westlichen Gesellschaften der Umstand ist, dass sie schlicht und einfach nicht rechnen können. Und das nicht erst jetzt, sondern schon seit Jahrzehnten.
Ein Beispiel: Mein Vater hatte im Jahre 1950 ein Fixum von 180,00 DM, der Bergwerksdirektor 1200 DM, freies Wohnen zusätzlich. Das waren noch Zeiten. Der Bergwerksdirekter hatte also nur das siebenfache. Solche Einkommensunterschiede sind heute geradezu lächerlich. Doch mein Vater hatte damals sein Auskommen.
Das Problem heute ist der Kapitalismus selbst und (man höre und staune) die schlichte Prozentrechnung). In den Jahren 1950 bis heute hat es ja viele Lohn- und Gehaltserhöhungen gegeben, Inflation natürlich auch. Der Unterschied in 1950 zwischen dem Bergwerksdirektor und meinem Vater waren in Bezug
auf das Gehalt 1020,00 D-Mark.
Möge ein jeder den Personen eine jährliche Lohnerhöhung von 10 % geben und dann die Entwicklung des Unterschiedes zwischen beiden Bruttogehältern betrachten.
GENAU! - Der Unterschied wird immer größer. Hinzu kommt noch, dass die Inflation den Niedriglöhner ja noch viel mehr trifft. Aber das will keiner wissen bzw. man will es nicht rechnen.
Wer jetzt immer noch von Ausländer raus oder schöner Remigration spricht, kann nicht rechnen... ist also einfach ein Menschenfeind und die einfachen Leute und auch der Mittelstand werden das ausbaden müssen.
Wer lobt ist mächtig. Wer gelobt wird ist schwach. Wer gelobt werden möchte ist ein Sklave.